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In der Nähe des Kronenplatzes zu wohnen, ist nicht erst seit Dezember anstrengend. Seit die Arbeiten für die zukünftige unterirdische Haltestelle der Kombilösung begonnen haben, wohnen die Karlsruher dort zwischen Lärm, Staub, engen Gehwegen und Schmutz.

Kein Nachtbetrieb am Wochenende

Das stört auch die Geschäftsleute in der Kaiserstraße, an deren Schaufenstern die letzten Wochen Zementspritzer klebten. "Wir hoffen, dass die Kasig das irgendwann putzt", äußerte sich ein Ladenbesitzer gegenüber ka-news. Vom nächtlichen Lärm sind die Einzelhändler und Imbissbuden allerdings nur bedingt betroffen. Weil die Kasig im Dezember und Januar mehrere Nächte durcharbeiten möchte, hat sie die Anwohner mit einem Schreiben vorgewarnt, das ka-news vorliegt.

Dort wird erklärt, dass vor den Gebäuden der Kaiserstraße 65 bis 69 die Baugrubensohle im 24-Stunden-Betrieb hergestellt werden soll, und zwar vom 10. bis 21. Dezember sowie vom 2. bis 26. Januar. An den Wochenenden wird dabei ab Samstag, 16 Uhr, bis Montag, 7 Uhr, nicht gearbeitet. Man sei sich bewusst, dass dies die Anwohner sehr belaste und biete deshalb für die beiden Monate eine zusätzlich erhöhte Mietentschädigung an. Falls der Lärm gar unzumutbar sei, komme man sogar für eine alternative Unterbringung auf.

Das kommt zum Beispiel für die Wohngemeinschaft von Michael, Julia und Thomas in der Waldhornstraße nicht in Frage. Die drei sind teilweise berufstätig oder studieren noch - in ihrer WG gefällt es ihnen jedenfalls ungemein, mit dem Vermieter haben sie ein ausgesprochen gutes Verhältnis. Nur die Aussicht lässt zu wünschen übrig, denn diese bringt einen sensationellen Ausblick auf Baggerschaufeln und Zement. Für ka-news haben die WG-Mitbewohner nach zwei durchgestandenen Baustellennächten aus dem Nähkästchen geplaudert. Ein Logbucheintrag.

Michael, 21 Uhr: Ich komme aus dem Büro. Die ersten fünf Kilometer der Strecke sind in gut fünf Minuten zurückgelegt. Nun kommt der anstrengende Teil - die Parkplatzsuche, die gefühlt die doppelte Zeit in Anspruch nimmt. Die Anwohnerpark-"Berechtigung" wirkt seit Monaten wie reiner Hohn. Zur Feier des Tages werde ich heute von jeder Menge Blaulichtern, die mir zusammen mit Bussen entgegen kommen, begrüßt. Die Hoffnung, dass alle Bauarbeiter und Verantwortlichen ihrer gerechten Strafe zugeführt wurden, wird sich leider schnell in Luft auflösen.

Aliens und Geisire

Nachdem ich ein paar Runden durch die Waldhornstraße und ihre angeschlossenen Sackgassen geirrt bin, aus der ein nicht gebürtiger Karlsruher übrigens nur unter großer kognitiver Anstrengung und nächtelanger Parkplatzsucherfahrung wieder heraus findet, habe ich tatsächlich noch einen Parkplatz in der Kapellenstraße ergattert. Auf dem Fußweg hin zur Ecke Kaiserstraße/Waldhornstraße nimmt mit jedem Schritt die Ernüchterung linear mit dem Lärmpegel zu, sodass mir schnell klar wird: die blauen Lichter sind wohl doch nur dem KSC-Spiel zuzuordnen. Als der Lärm und die nächtliche Beleuchtung der Baustelle an meiner Haustür schließlich einen discoähnlichen Zenit erreicht haben, steige ich die Stufen zu meiner Wohnung empor.

Dort angekommen riskiere ich aus Neugier doch einen Blick aus dem Fenster und muss sagen: Es erinnert ein bißchen an Urlaub! Ich war bisher nicht in Island, aber das, was ich sehe, kommt dem, was ich mir unter einem Geisir vorstelle, ziemlich nahe. Es blubbert, dampft und kocht jede Menge Wasser aus dem (Bohr-)loch. Lediglich die orange angezogenen Männer, die in das Loch starren, gleichen nun wirklich nicht den vertrauten Japanern mit Kamera.

Ich versuche zunächst die "Lebenszeichen" der Bauarbeiter bei geschlossenem Fenster mit Musik zu übertönen - das gelingt aber leider nur temporär. Denn: Der Bass passt irgendwie nicht zur Musik. Ich linse wieder aus dem Fenster: Im Lichtkegel steigen Nebelschwaden auf. Landen da gerade Außerirdische? Nunja, ich habe ohnehin schon länger den Eindruck, dass da ein paar weltfremde Planer am Werk sind - insofern passt das ja. Gute Nacht!

Julia, 23 Uhr: Ohrstöpsel präpariert, Wecker gestellt. Die Baustellen-Nacht kann kommen. Aber irgendwie will das schlafen nicht so richtig klappen. Alles vibriert, ich wache ständig auf und habe das Gefühl die ganze Wohnung wackelt. Manchmal scheinen auch die Bauarbeiter vor unserem Haus Pause zu machen - dann ist für eine halbe Stunde Ruhe. Gegen Morgen werde ich bei jedem Aufwachen unruhiger: Habe ich meinen Wecker schon überhört?

Als es endlich Zeit zum Aufstehen ist, rufe ich unseren Vermieter an und berichte ihm von Rissen, die ich schon lange festgestellt habe. Ich bin mir sicher, dass die Vibrationen unser Haus stärker erschüttern als erlaubt. Hält die Statik das aus? Unser Vermieter jedenfalls wischt meine Bedenken trocken vom Tisch: Das Haus sei quasi für den 3. Weltkrieg gebaut, da könne nichts passieren.

Thomas, 9 Uhr morgens: Meine Ohren sind noch immer ein wenig strapaziert von der letzten Nacht mit Oropax. Aber geschlafen habe ich eigentlich ganz passabel. Den morgendlichen Baustellen-Lärm höre ich auch ohne 24-Stunden-Betrieb jeden Morgen. Was mich eigentlich viel mehr stört, ist dieser permanente Geräuschpegel in der Wohnung, egal ob ich gehe, komme, esse oder schlafe. Das ist zermürbend. Auch der Weg zur Bahnhaltestelle ändert sich alle paar Tage, ständig muss ich Umwege zeitlich einplanen.

Heute bin ich aber eigentlich nur froh, dass ich selbständig aus dem Haus gehen kann. Denn: Es ist auch schon vorgekommen, dass ich von einem Kasig-Mitarbeiter von der Haustür durch die Baustelle geleitet wurde... Für mich hat die Baustelle nur einen einzigen Vorteil, den ich heute Abend um 17 Uhr wieder ausnutzen werde: Ich kann inzwischen beruhigt in unserer Wohnung Dudelsack üben. Kein Mensch hört mich.

Der Karlsruher Gemeinderat hat am Dienstag, 18. Dezember, erneut über die Kombilösung und über einen Sachstandsbericht der Stadt Karlsruhe zum Jahrhundertprojekt diskutiert. Demnach ist die Kombilösung 645 Millionen Euro teuer und hinkt 18 Monate dem Zeitplan hinter her.

Mehr Infos rund um die Karlsruher Kombilösung gibt es auch in unserem Dossier. Hier klicken!

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