Neulich saß ich im Wartezimmer einer Arztpraxis und tat, was der Name des Raumes mir vorschrieb: ich wartete. Um den Patienten die unangenehmen Minuten zwischen Schniefnasen und Humpelbeinen zu verschönern, legen die Sprechstundenhilfen regelmäßig genügend Lesestoff auf den Tisch in der Mitte. An diesem Morgen hatte es mir aus Klischeegründen eine populäre Frauenzeitschrift angetan, deren Anzeigen und Bildchen mich zunächst unbeeindruckt ließen.
"Du fährst immer zu schnell!"
Als Frau Müller ins Sprechzimmer gerufen wurde, fiel mir eine Studie mit Symbolbild ins Auge. Zu erkennen war eine junge Frau, die wütend mit dem Finger auf ihren völlig entsetzten Freund zeigte. Beim Anblick dieser offensichtlichen Streitszene musste ich schmunzeln, doch beim Lesen der Überschrift fühlte ich mich plötzlich direkt angesprochen: "Du fährst immer zu schnell!" Die dazugehörige Studie besagte, dass Du-Botschaften die Beziehung gefährdeten. Psychologen sei dieses Phänomen schon lange bekannt, drei Forscher machten nun den Paar-Test und kamen zu einem eindeutigen Ergebnis: Wer persönlich schimpft, steht morgen vor der Tür!
Das will ich nicht - es ist eh meine Tür, die mein Freund des Öfteren mitbenutzt. Wir wohnen nicht mal zusammen. Und doch macht mich diese Studie stutzig. Was, wenn mein Lover und ich uns zu oft duzen? Ich nahm mir also vor, den ganzen Feierabend dieses Tages darauf zu achten, wer wie viele Du-Meckereien benutzt und musste feststellen, dass man(n) in unserem Falle statistisch weniger schimpft als angeschimpft wird - und zwar von mir! "Schatz, du machst das falsch. Erst das Salz, dann das Öl", "Du bist dauernd am Handy" und der Klassiker: "Du hörst nie zu!" Klar, dass er eingeschnappt ist, aber auch klar, dass ich genervt bin, fand ich. Eine ausweglose Situation, wie mir schien.
Nach einem klärenden Gespräch, was es mit meiner augenscheinlichen Melancholie und meinem Grübel-Gesicht auf sich hatte, entschieden wir uns als Paar mehr darauf zu achten, was wir wie sagen. Ich nahm mir fest vor, auf das agressive "Du" zu verzichten und er wollte in Zukunft mehr auf mich eingehen - ich war wenig zuversichtlich. Wenige Tage später kam ich nach einem stressigen Redaktionsalltag völlig entnervt nach Hause und konnte mich beim Anblick des sich stapelnden Geschirrs nicht mehr zurückhalten: "Ey! Spül mal, (du) Idiot!" Zuerst schaute mein Simpsons-guckender Freund mürrisch, bis er anfing zu lächeln: "DU brauchst 'ne Massage!"
Mein Fazit: Manchmal bringen sowohl Arztbesuche, als auch merkwürdig alberne Artikel aus Frauenzeitschriften, ein Happy End mit sich. Wenn Sie auf der Suche nach einem ernstzunehmenden Problem sind, projizieren Sie unnützes Wissen aus einer Studie Ihrer Wahl auf Ihr Privatleben, doch Vorsicht: Ein bisschen Naivität gehört dazu! Abschließend stelle ich fest: Gut, dass keiner meiner Kollegen Kevin oder Chantal heißt, denn laut einer Studie haben Menschen mit diesen Namen es oftmals schwer im Job. Ach und: Die Forschung besagt, dass weiblichen Seeschnecken auf dem Kopf ein Penis wachsen kann.
Kleinigkeiten abseits des Tagesgeschäfts, Kuriositäten und was uns sonst noch durch den Kopf geht: Die neue ka-news-Kolumne erscheint immer am Mittwochnachmittag. Autoren sind im Wechsel die ka-news-Redakteure Felix Neubüser, Tabea Rueß, Moritz Damm und die ka-news-Volontäre Felix Brenner und Marie Wehrhahn.
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