Spätestens am "Elften-Elften", dem offiziellen Beginn der närrischen Zeit, war klar, dass es 2021 keine Prunksitzungen und Umzüge geben wird. Dabei war vor einem Jahr für die vielen Gesellschaften und Vereine aus der Region, die das närrische Brauchtum immer wieder am Leben halten, die Welt noch in Ordnung – obwohl schon dunkle Wolken am Horizont Unheil verkündeten.
Noch im Februar 2020 hatte die Straßenfastnacht in den badischen Faschingshochburgen für überschäumende Begeisterung gesorgt und die Hallen waren mit kostümierten Narren gut gefüllt. Doch schon einige Tage später war "Schluss mit lustig": Corona und der erste Lockdown machten den passionierten Spaßmachern einen Strich durch die Rechnung.
1991: Feiern gehört sich nicht
Was viele Nachgeborene nicht wissen: Schon einmal, vor genau 30 Jahren, fiel die Fastnacht komplett aus. Weil 1991 im Nahen Osten ein Krieg tobte, hieß es hierzulande: "Feiern gehört sich nicht." Zuerst wurde der Karneval in den rheinischen Hochburgen abgesagt, danach folgten die Narrenzünfte im Südwesten auf geradem Fuß. Die Präsidenten des organisierten Brauchtums gaben nach: Sie waren der diffusen Angst vor Anschlägen ausgewichen, knickten vor dem moralischen Druck, der durch den Beginn des Golfkrieges entstanden war, ein.

Die Frage stand damals überall im Raum: Darf man bei uns feiern, wenn am Persischen Golf amerikanische Soldaten sterben? Fastnacht, der Inbegriff von Frohsinn und Heiterkeit, durfte einfach nicht sein, so die Stimmungslage bei den Verantwortlichen. Hinzu kam der Druck aus Politik und Kirche.

Später sah man das anders, Solidarität mit den USA hin – schlechtes Gewissen her: Als dann der Krieg in Jugoslawien und damit auch in Europa tobte, wurde ein Jahr später trotzdem Fastnacht gefeiert. Übrigens auch in Amerika. 1991 bleibt also ein Lehrstück, wenn auch aus vergangener Zeit.
Absage kam überraschend
Heimfried Werner aus Bruchsal, langjähriger Sitzungspräsident und in der Region als "Graf Kuno vom Kraichgauland" bekannt, hat die Geschehnisse aus dem Jahr 1991 ebenfalls noch genau vor Augen und sagt: "Überall bei uns im Ländle waren die Jahresorden bereits bestellt und geliefert, die Säle angemietet, die Verträge mit den Musikformationen unterschrieben, die Umzüge startbereit. Dann die Absage, die allen sehr weh tat."

Später war der allgemeine Tenor bei den Gesellschaften: "Das würden wir künftig nicht mehr so machen." In der Folge und aus der unbefriedigenden Situation heraus wurde im März 1991 der "Narrenkreis Bruchsal", in dem nahezu alle Vereine aus dieser Region zusammengeschlossen sind, gegründet. Auch bei der Schwarzwälder Narrenvereinigung, der rund 50 Zünfte und Vereine angehören, sieht man die Situation heute anders.
"Die Geschichte von damals hat uns heute eingeholt"
Ebenso in der Fächerstadt, beim Festausschuss Karlsruher Fastnacht (FKF) mit Präsident Michael Meier, gleichzeitig auch Vizepräsident der KG Fidelio Karlsruhe. Diesem, bereits 1952 gegründeten, Dachverband gehören 23 Vereine aus der Region rund um Karlsruhe an.
Wie sie jetzt mit der aktuellen Situation umgehen? "Die Gesellschaften posten in den bekannten sozialen Medien oder auf ihrer Homepage selbstgedrehte Videos mit närrischen Botschaften. Eine gute Idee", eröffnet Maier.

"Die Geschichte von damals hat uns heute eingeholt, doch der Krieg heißt Corona-Virus und findet weltweit statt", heißt es bei den Vereinen. Sie machen das Beste aus der Situation und verkünden unisono: "Die Absagen sind leider alternativlos."
"Das ganze Jahr Maskenball"
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben sich seit Ausbruch der Pandemie 100 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Da hilft kein Schminken oder Verkleiden, kein noch so schönes Kostüm. Nur der Mund- und Nasenschutz bleibt. Live-Erlebnis? Null!

"Heute ist das ganze Jahr Maskenball", so die Aussage eines gequälten Zeitgenossen. Aschermittwoch überall. Einige Gesellschaften aus Baden und der Pfalz bieten im Internet auch eine Art "Prunksitzung" an. Ob "digitales schunkeln" jedoch den großen Spaßfaktor bringt? Die Freude hält sich - wahrscheinlich - in Grenzen.
"Besser als nichts", lässt FKF-Präsident Michael Maier abschließend wissen und schiebt ein ironisches "Immer schön negativ bleiben", hinterher. Und: Am 17. Februar ist Aschermittwoch - und dann wäre in jeder Hinsicht so oder so "alles vorbei".
Hinweis: Kommentare geben nicht die Meinung von ka-news wieder. Der Kommentarbereich wird 7 Tage nach Publikationsdatum geschlossen. Bitte beachten Sie die Kommentarregeln und unsere Netiquette!