Karlsruhe Fleischbetriebe im Corona-Rampenlicht: Kritik an Werkverträgen - wie leben die Arbeiter des Karlsruher Edeka-Werks?
Vor allem in Schlachthöfen und Fleischbetrieben hat das Corona-Virus in den vergangenen Wochen und Monaten um sich geschlagen. Seitdem ist die Branche in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Vor allem die Werkverträge oftmals ausländischer Arbeiter stehen in der Kritik. Die Arbeitsumstände werden als eine mögliche Ursache für die hohen Infektionszahlen gesehen. Wie viele Mitarbeiter sind im großen Edeka Fleischwerk nahe Karlsruhe über Werkverträge angestellt? Und wird ihr Lebensstandard kontrolliert?
Aufgrund zahlreicher Corona-Ausbrüche hat eine Branche immer wieder für Schlagzeilen gesorgt: Schlachthöfe und fleischverarbeitende Betriebe.

Während sich beim nordrhein-westfälischen Schlachtkonzern Tönnies über 600 Mitarbeiter infiziert hatten und ein lokaler "Lockdown" die gesamte Stadt in ihre Schranken wies, gab es in der Region um Karlsruhe bereits einen ähnlichen Fall: Nahe Pforzheim hatten sich ebenfalls fast 400 Mitarbeiter bei "Müller Fleisch" mit der Lungenkrankheit Covid-19 angesteckt.
Schlechte Lebensumstände? Werkverträge werden kritisiert
Warum sind Schlachthöfe und fleischverarbeitende Betriebe so häufig von Corona-Infektionen betroffen? Diese Frage hat seit den Ereignissen eine Debatte rund um die Arbeits- und Hygienestandards aufgeworfen. Vor allem die hohe Zahl an Werkverträgen und das Beschäftigen vieler nicht-deutscher Arbeiter stehen seitdem bundesweit in der Kritik.

Schärfere Regelungen für die Fleischindustrie sind bereits auf dem Weg. Am Mittwoch befasst sich das Bundeskabinett mit einem Gesetzesentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Ab 2021 könnte das Schlachten und Zerlegen von Tieren nur noch eigenen Angestellten erlaubt sein - ein voraussichtliches Aus für die Werkverträge in der Branche.
Der wohl größte Fleischbetrieb in der Region Karlsruhe ist "Edeka Südwest Fleisch". Dort arbeiten unter anderem in den Zerlegungshallen insgesamt1.400 Mitarbeiter. Es werden am Tag 4.500 Schweinehälften angeliefert, die nur wenig später das Werk als Aufschnitt, Schinken oder Kotelett in Richtung der Supermärkte wieder verlassen.

Obwohl der größte Teil der Mitarbeiter bei Edeka selbst angestellt ist, zählt der Fleischbetrieb zusätzlich 450 Werkvertrags- und 130 Leiharbeiter. Viele von ihnen stammen aus anderen Ländern, etwa aus Osteuropa. In zehn Sprachen muss das Unternehmen die Hygienehinweise übersetzen, damit jeder Mitarbeiter sie lesen und verstehen kann, heißt es dort auf Nachfrage von ka-news.de.
Zu wenig eigene Auszubildende bedingen Werkverträge
Das Problem, warum Fleischbetriebe auf derartige Beschäftigungsformen setzen: Es fehlt an Arbeitskräften. "Aktuell beschäftigen wir nur acht Auszubildende mit dem Berufsziel Fleischer, viel zu wenige für unseren Betrieb", sagt Andreas Pöschel, Geschäftsführer von Edeka Südwest Fleisch, im Gespräch mit ka-news.de.

Obwohl die Werkvertragsmitarbeiter bei Subunternehmern angestellt sind, gäbe es im Betrieb keine "Zwei-Klassen-Gesellschaft". Alle Angestellten würden nach deutschen Arbeitsbedingungen beschäftigt werden, ihr Gehalt liegt also auf oder über dem Mindestlohn.
Fleischwerk Rheinstetten: 1,7 Personen pro Zimmer
Durch die bundesweiten Corona-Ausbrüche ist vor allem die Wohnsituation der Arbeiter ins Visier geraten. Vielerorts sind die Menschen in Mehrbettzimmern oder Sammelunterkünften untergebracht. Beim Edeka Fleischwerk nahe Karlsruhe teilen sich im Schnitt 1,7 der Arbeiter ein Schlafzimmer.

"Wir lassen die Umstände durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kontrollieren", so Geschäftsführer Pöschel. "Wir sind hier sehr akribisch." Alle Unterkünfte würden den sogenannten ASR A4.4 Standard der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erfüllen. Jedem Arbeiter stehen somit mindestens acht Quadratmeter zur Verfügung.
Wohnungssuche - ein Problem für ausländische Arbeiter
Da die gesellschaftliche Kritik weiter wächst, möchte Edeka Südwest Fleisch jedoch bis zum letzten Quartal des Jahres die Werkverträge in eigene Dienstverträge umwandeln. "Dann müssen wir auch das Problem des Wohnraumes selbst in die Hand nehmen", sagt Andreas Pöschel.

Gelangt ein osteuropäischer Arbeiter über einen Werkvertrag nach Deutschland, stellt ihm das Subunternehmen eine Bleibe zur Verfügung. Denn auf dem angespannten Karlsruher Wohnungsmarkt fündig zu werden, ist schon für Ortskundige nicht leicht - für Arbeiter aus einem anderen Land eine umso größere Herausforderung. Ein Grund, warum Werkverträge noch immer so verbreitet sind.
Ob Werkverträge und Leiharbeit ab 2021 in der Fleischindustrie komplett verboten werden, bleibt abzuwarten. Der entsprechende Gesetzentwurf liegt bereits ausgearbeitet in der Schublade. Die deutschen Schlachthöfe und Fleischkonzerne halten das geplante Verbot für verfassungswidrig und sprechen von einer Ungleichbehandlung. Doch eines scheint sicher zu sein: Sollte das Gesetz verabschiedet werden, könnten Fleisch- und Wurstwaren künftig deutlich teurer werden.
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28.07.2020 09:50 Uhr
Unsere Jugend, die auf die Straße geht und für artgerechte Tierhaltung
und gegen die Schlachtbetriebe demonstriert, danach aber gerne zu MC Donalds geht einen Burger mampft, mit Fleisch aus Billiglohnländern und nix mit artgerechter Tierhaltung, sollte da schon mal darüber nachdenken.
28.07.2020 12:26 Uhr
28.07.2020 13:17 Uhr
Wobei wir auch Fleisch aus Argentinien, Brasilien, Paraguay, USA Thailand (in erster Linie Rindfleisch) importieren, exportieren wir Fleisch nach China, weil dort Fleisch (Schweinefleisch) aus deutscher Herkunft sehr beliebt ist und sich einer hohen Nachfrage erfreut. Die Chinesen essen sehr gerne Schweinefleisch.
Man kann davon ausgehen, dass die Handelsketten das preiswertere Fleisch vor allen Dingen aus dem Ausland importieren.
28.07.2020 09:48 Uhr
ganz ehrlich Herr Pöschel ... es fehlt nur noch der Heiligenschein!!!
28.07.2020 09:47 Uhr
ganz ehrlich Herr Pöschel ... es fehlt nur noch der Heiligenschein!!!
28.07.2020 12:58 Uhr
28.07.2020 13:27 Uhr
28.07.2020 09:40 Uhr
28.07.2020 13:33 Uhr
28.07.2020 13:25 Uhr