"Das Infektionsgeschehen ist aktuell sehr ruhig. Wir haben nur noch einzelne Fälle in Pflegeheimen und Kliniken. Das ist sehr erfreulich", sagt Ulrich Wagner, stellvertretender Leiter des Gesundheitsamtes Karlsruhe, am Donnerstag. Aktuell sind im Landkreis noch 55 Corona-Fälle bekannt, darunter acht im Stadtkreis (Stand Donnerstag, 5. Juni).
Nachverfolgung im Fokus der Corona-Maßnahmen
Diese Verschnaufpause müsse man jetzt nutzen, um sich auf eine eventuelle zweite Infektionswelle vorzubereiten, so Landrat Christoph Schnaudigel. Dabei legen die Verantwortlichen den Fokus nicht auf strengere Maßnahmen, sondern auf eine minutiöse Nachverfolgung der Infektionsketten. "Wir versuchen schon jetzt alle Kontaktpersonen auf Corona zu testen, das wurde vorher nur bei tatsächlichen Symptomen gemacht", sagt Ulrich Wagner.

Um eine erneute Corona-Welle gar nicht erst entstehen zu lassen, wolle man auch die von Bund und Land erlassene Handlungsempfehlung noch verschärfen. Dabei geht es um die Grenze von 35 beziehungsweise 50 Neuinfektionen pro Woche und pro 100.000 Einwohnern, nach der erneute Corona-Maßnahmen wie ein Shut-Down ergriffen werden sollen.
Grenze soll schon bei 20 Neuinfektionen liegen
Hier sei es laut Schnaudigel "schon viel früher notwendig, zu handeln". Stadt- und Landkreis wollen daher künftig schon spätestens bei 20 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen mit Einschränkungen aktiv werden.
Der Grund: Berechnungen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hätten gezeigt, dass es etwa drei Wochen dauert, bis eine rasant steigende Infektionsentwicklung wie im März durch Maßnahmen wie dem Shut-Down ausgebremst wird, erklärt OB Frank Mentrup.

"Hier wäre es unverantwortlich, auf das Erreichen einer so hohen Grenze zu 'warten'." Und: "Selbst mit dem Limit von 20 Neuinfektionen wäre eine diffuse Infektionslage mit mehreren Einzelfällen ohne nachverfolgbare Kontaktüberschneidungen schon hochgefährlich."
Hohe Zahl an Nachverfolgungen "personaltechnisch derzeit nicht zu leisten"
Ein weiterer Grund: Eine hohe Grenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen sei für das Gesundheitsamt des Landkreises auch personaltechnisch "derzeit nicht zu leisten", sagt Landrat Schnaudigel.
"Diese Grenz-Zahl würde für den Landkreis ein Eingreifen bei 222 Neuinfektionen bedeuten, für die Stadt Karlsruhe bei 157 Neuinfektionen. Nimmt man die durchschnittliche Zahl an Kontaktpersonen pro infizierter Person hinzu, wären das wöchentlich 2.800 Kontaktpersonen. Zusammen mit den neu Infizierten ergibt das eine Summe von 3.200 Corona-Fällen, die jede Woche neu bearbeitet werden müssen", skizziert Schnaudigel.
Gesundheitsamt stockt Mitarbeiter auf
Genug Personal so aufrecht zu erhalten, um jederzeit auf die Nachverfolgung plötzlicher Corona-Hotspots vorbereitet zu sein, das sei nun die Schwierigkeit. Aus diesem Grund wird das Gesundheitsamt, bei dem aktuell knapp 115 Menschen arbeiten, Stück für Stück um insgesamt 30 bis 35 Mitarbeiter erhöht. Zudem wolle man einen Pool von Mitarbeitern aus dem Landratsamt für die Nachverfolgung schulen, um diese wenn nötig abziehen zu können.

So soll das Gesundheitsamt langfristig wieder zu seinen originären Aufgaben wie Umwelthygiene, gesundheitliche Prävention und Gesundheitsförderung, Schulgesundheitspflege und Jugendzahnpflege zurückkehren können. Erst bei "Alarmstufe rot" sollen alle Mitarbeiter wieder rein für die Corona-Nachverfolgung eingesetzt werden müssen.

"Die finanziellen Rahmenbedingungen hierfür haben wir bisher allerdings noch nicht", sagt Christoph Schnaudigel. Er fordert das Land daher dazu auf, schnell zu reagieren. "Wir können nicht den Nachtragshaushalt abwarten."
"Das ist eine ziemlich dreiste Frechheit"
Die Stadt Karlsruhe rechnet für das Jahr 2020 mit finanziellen Einbußen von rund 200 Millionen Euro im kommunalen Haushalt. Das von der Bundesregierung am Mittwoch beschlossene Konjunkturprogramm von 130 Milliarden Euro befinden Landrat und Oberbürgermeister zwar als "an vielen Stellen hilfreich", man wünsche sich allerdings spezifischere und für die Kommunen konkretere Rettungsschirme durch Bund und Land als große, undurchsichtige Streuprogramme.

Als besonders ärgerlich bezeichnet Frank Mentrup den Umgang der Landesregierung mit dem Städtischen Klinikum Karlsruhe. Als kommunales Maximalversorger-Krankenhaus und Covid-Klinik müsse es mit den durch das Land bereitgestellten 600 Millionen Euro gegen Liquiditätsengpässe aufgrund der Freihaltung von Intensivbetten ebenso finanziell unterstützt werden wie das für Universitätskliniken vorgesehen ist.

"Das ist eine ziemlich dreiste Frechheit. Es erfüllt denselben medizinischen Standard in der Patientenversorgung wie eine Uni-Klinik", so das Stadtoberhaupt. Man habe ebenfalls Intensivbetten freihalten müssen - dadurch entstünden dem Klinikum Kosten von 75 Millionen Euro, wovon allerdings nur 55 Millionen Euro durch den Bund übernommen würden. "So entsteht ein Defizit von rund 22 Millionen Euro. Das ist eine Unwucht, die durch nichts zu erklären ist", kritisiert Mentrup.