Karlsruhe Verhandlung um zweite Rheinbrücke: Eine "außergewöhnliche Veranstaltung" in Karlsruhe
Stadt Karlsruhe und Umweltverband BUND haben 2017 Klage gegen den geplanten Bau der zweiten Rheinbrücke eingereicht. Jetzt wird verhandelt: Von Montag bis Freitag vor dem baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof (VGH). Es handelt sich um eine außergewöhnliche Veranstaltung - in vielerlei Hinsicht.
Neun Aktenordner an Unterlagen umfasst das Verfahren, das mit der Klage des BUND Baden-Württemberg im Dezember 2017 und der Stadt im Februar 2018 angestoßen wurde. Die Verhandlung war ursprünglich in Mannheim angesetzt: Doch die Räume des Verwaltungsgerichtshofs sind nicht geeignet, um Corona-Schutzmaßnahmen umzusetzen - man rechnete mit einem erhöhten Publikumsinteresse und verlegte daher die Verhandlung nach Karlsruhe.
Dieses blieb jedoch übersichtlich: Rund 30 Zuschauer fanden sich im Saal ein, vergleichsmäßig viele Journalisten und Prozessbeteiligte waren vor Ort.
Verhandlung auf Abstand
Am Mittwochmorgen um 10 Uhr hießen die Richter Zuschauer und Prozessbeteiligte mit gebührendem Abstand willkommen. Die Maskenpflicht wurde aufgrund der sommerlichen Temperaturen im Saal erlassen - unter der Voraussetzung, den Mindestabstand zueinander zu wahren.

Ziel der Klage: Den am 15. September 2017 erhobenen Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums für rechtswidrig zu erklären. Stadt und Umweltverband stützen sich vor allem auf folgende Argumentationspunkte:
- Eine Brücke im Bestandsstraßenbereich ist aus Gründen der Umweltverträglichkeit gegenüber der planfestgestellten Trasse die vorzugswürdigere, allerdings wurde diese nicht hinreichend untersucht.
- Die Trassenführung stößt aus artenschutzrechtlichen Gründen auf beiden Seiten des Rheins auf unüberwindliche Hindernisse und ist folglich so nicht realisierbar.
- Die Abschnittsbildung ist mangels erforderlichen Anschlusses an die B36 fehlerhaft.
- Die umfangreiche Inanspruchnahme städtischer Flächen für eine nicht vorzugswürdige Trasse ist abwägungsfehlerhaft.
Kritisiert wird zusätzlich die mangelnde Berücksichtigung von Radwegen.
War das Planfeststellungsverfahren fehlerhaft?
Am Mittwoch wurden einzelne Aspekte des Planfeststellungsverfahrens behandelt, welches dem Planfeststellungsbeschlusses vorausgeht. Darunter unter anderem das fehlende Raumordnungsverfahren, die Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung, die Auslegung für die Öffentlichkeit sowie die Fragen der Auswirkung möglicher Verfahrensfehler.

Das Planfeststellungsverfahren dient der Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange in Bezug auf ein behördliches Bauvorhaben und ist Voraussetzung für die Genehmigung der Maßnahme. Auch Träger öffentlicher Belange sowie Umweltverbände werden angehört.
Applaus für Mentrups Eröffnungs-Erörterung
Zu Beginn der Verhandlung nutzte Oberbürgermeister Frank Mentrup als Vertreter der Stadtverwaltung sowie des Gemeinderats - welcher einer Klage 2017 zustimmte - die Erörterung für ein erklärendes Plädoyer, für welches er am Ende Applaus aus dem Zuschauerraum erntete.
Es sei eine außergewöhnliche Veranstaltung, so das Stadtoberhaupt, welcher man hier beiwohne. Denn: "Es ist absolut unüblich, dass sich die Stadt gegen einen Beschluss des Regierungspräsidiums wendet", so Oberbürgermeister Frank Mentrup. Gebeten wurde um Verständnis, was Stadt beziehungsweise Gemeinderat dazu bewogen hat, eine solche Klage "vom Zaun zu brechen".

Man habe es mit einem "vermurksten Planungsprozess" zu tun, welcher in seinen Rahmenbedingungen nicht mehr zeitgemäß sei. Mentrup betonte, dass es ihm nicht um Fehler und Schuldzuweisungen, sondern um nüchterne Betrachtungen gehe.
Stadt kritisiert veraltete Rahmenbedingungen
Seine Argumentation: Bei den Planungen zum Bau der zweiten Rheinbrücke stütze man sich auf veraltete Annahmen und Ausrichtungen. Während Rheinland-Pfalz an der ursprünglichen Planung festhalte, da sie eine Entlastung für die linksrheinische Seite (beispielsweise für die Bürger von Maximiliansau) bedeute, habe man sich rechtsrheinisch schon seit mehreren Jahren in eine andere Richtung orientiert.

"Die Nordtangente wird seit 2011 nicht mehr verfolgt", so Mentrup, "auch die Idee der zweiten Rheinbrücke wurde in den vergangenen Jahren nicht weiter vorangetrieben." Hier sei durchaus versäumt worden, sich rechtzeitig an einen Tisch zu setzen, um die veralteten Planungen zu besprechen.
"Karlsruher Bürger sind Verlierer"
Das Ergebnis aus Sicht des Stadtoberhauptes: Eine veraltete Teillösung, die nicht mehr in eine aktuelle Verkehrsplanung eingebettet ist. Der aktuelle Beschluss sieht eine Anbindung der zweispurigen Trasse an das Ölkreuz und damit an die Südtangente vor.

Dies würde mehr Verkehr für Karlsruher Bürger bedeuten - "sie sind die Verlierer bei dieser Planung." Die Forderung von Stadt und Gemeinderat ist daher: Keine zweite Rheinbrücke ohne gleichzeitigen Anschluss an die B36 - doch dies muss in einem separaten Planungsverfahren genehmigt werden.
Andere Varianten vernachlässigt
Ein weiterer Kritikpunkt von Mentrup: Die Vernachlässigung des Radverkehrs - man wünscht sich die Berücksichtigung aller Verkehrsarten sowie die Abwägung der verschiedenen Trassen-Varianten D1 und D2. Denn im Zuge der Planungen wurden drei Varianten erstellt, favorisiert wurde schlussendlich B3. Richtig glücklich ist man bei der Stadt auch mit diesen nicht, aber es sei eine bessere Lösung als die jetzt beschlossene B3-Variante.
- Variante "D1": Eine Brücke zwischen der bestehenden Auto- und Bahnbrücke
- Variante "D2": Eine Brücke direkt neben der bestehenden Autobrücke
- Variante "B3": Eine Brücke 1,4 Kilometer nördlich der bestehenden Brücke
Zuletzt müsse man sich bei der Planung mit aktuellen Verkehrsprognosen auseinandersetzen: Die neu sanierte Rheinbrücke habe jetzt verlängerte Lebensdauer von 50 Jahren, sie sei, so Mentrup, ausreichend leistungsfähig.
Stadt Karlsruhe wünscht sich neue Debatte in Region
Mit einer Ablehnung der Planung, so hofft man bei der Stadt Karlsruhe, könnten sich alle Beteiligten zwischen Iffezheim und Germersheim nochmal an einen Tisch setzen und andere Lösungen finden.
Die Verhandlung ist bis Freitag angesetzt, könnte aber auch schon früher zu Ende gehen: Bereits am Donnerstag ist die Erörterung von Vergleichsmöglichkeiten für den Nachmittag angesetzt. Eine Entscheidung der Richter wird in der Regel einige Tage nach der Verhandlung schriftlich verkündet.

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25.06.2020 07:26 Uhr
Und was macht Karlsruhe? Nix! Gar nix! Will keine 2. Brücke. Keine Nordtangente. Kein B36 anbindung. Oder sonstige Umfahrung. Die Tage sind (Baustelle auf pfälzer Seite) insbesondere die Knielinger mal wieder -und sie werden auch wieder (Baustelle auf BaWü Seite bis min. mitte Sep!!!) die Leittragenden sein. Auch die Südtangente wird wieder zugestaut sein. Wie man sich so ignorant und Tatsachenfremt präsentieren kann, das ist wirklich nicht mehr feierlich ja sogar traurig.
25.06.2020 11:36 Uhr
Daher ist der Autoverkehr im Stadtgebeit auf ein verträgliches Maß zu reduzieren, wozu auch die Pendler mit ihrer Verkehrsmittelwahl ihren Beitrag zu leisten haben. Das kann mehr oder weniger schmerzhaft werden. Mit der "Betonkopf"-Einstellung - statt smartem Umschwenken hin zu mehr Rad, Bahn (da gibt es auf pfälzer Seite viele untragbare Versäumnisse; Warum?), Fahrgemeinschaften, Entzerrung, neu: Homeoffice - wird es eher härter.
Das ist ganz normal.
Das ist bei jeder Großstadt so.
Karlsruhe ist nicht Hagenbach.
25.06.2020 13:53 Uhr
25.06.2020 15:27 Uhr
Das genau glaube ich nicht. Ich schätze 90% derjenigen im Auto haben für sich entschieden, dass sie trotzdem lieber in ihrer Blechkiste sitzen, als über Alternativen nachzudenken. Das kann ich jeden Morgen und Abend sehen, wenn ich mit dem Fahrrad an den Autos vorbeifahre, es gibt immer noch genug, die einfach nur zur Siemens oder in die Innenstadt fahren. Und warum man da nicht mit der Bahn fahren kann erschließt sich mir nicht (ja, es gibt Ausnahmen, aber wir reden über die Mehrheit). Also war das Auto eine bewusste Entscheidung für diese Variante, dann will ich aber auch keine Klagen über Stau hören.
25.06.2020 14:44 Uhr
Danke für Dein Kompliment, aber ich glaube, die Kompetenzen sind bei uns beiden ganz anders verteilt
Übrigens ist der Autofahreranteil an den pälzer Pendlern extrem hoch, verglichen mit anderen Pendlerströmen Land>Stadt. Da kann man durchaus sehr viel machen.
Man müsste nur WOLLEN. Da liegt ganz offenbar das Problem, also bei Leuten wie Dir.
26.06.2020 17:02 Uhr
Beipiel: Freckenfeld - KA-Hertzstraße: schnellste Verbindung 56 min (davon 14 min Fußweg), 3 x Umsteigen, sonst 90 min + (Quelle AVG),
Auto / Motorrad; 25 km, bei freier Strecke < 25 min.
24.06.2020 22:36 Uhr
Herrn Mentrup ist seit seiner Ankündigung sich für eine 2. RB einzusetzen (als SPD Kandidat teilweise und als Stadtoberhaupt dann ganz schnell wieder zurückgerudert) absolut drin in der Thematik. Eine Verbesserung der problematischen Rheinquerung für alle Beteiligten hat er nicht erzielen können und wollen!
Dabei hätte er sich einfach die Ablehnungsgründe (Straßennetz, Pförtner, Radwegeverbindungen etc.) mal zu Herzen nehmen können und entsprechend planen können. Nur Blockade! Das ist unwürdig für einen Oberbürgermeister!
24.06.2020 23:34 Uhr
Die parallele Eisenbahn existiert in den Autofahrerköpfen leider nicht.
24.06.2020 23:43 Uhr
25.06.2020 00:29 Uhr
Ein ehem. Kollege, der anfangs jeden Tag aus der pfälzischen Pampa kurz vorm Pfälzerwald zur Uni in KA mit dem Auto fuhr, ist erst nach einem schweren Unfall aufgewacht und hat danach sein neues Auto dann am nächsten Bahnhof geparkt und ist mit dem Zug weiter. Das war m.E.n. noch deutlich vor den Zeiten der S5.