Philippsburg/Karlsruhe Spätestens zum Jahreswechsel gehen die Lichter aus: So geht der Rückbau des AKW Philippsburg voran
Wenn die ersten Raketen und Böller das Jahr 2020 einläuten, läuten die Mitarbeiter des AKW Philippsburg die Ende der Atomkraft-Ära im Landkreis Karlsruhe aus. Nach 40 Jahren wird Reaktor 2 abgeschaltet und soll, wie aktuell schon Block 1, rückgebaut werden. Wie das abläuft, welche Risiken der Rückbau birgt und wie es mit dem AKW-Standort - und den beiden Kühltürmen - weitergeht: ka-news.de hat sich bei einem Rundgang vor Ort umgeschaut.
Man sieht sie schon von weitem: Stetige weiße Wasserdampfwolken und zwei markante Kühltürme, die sich in den Himmel über dem nördlichen Landkreis Karlsruhe erheben. Selbst wer nicht direkt aus der Gegend stammt, dem ist dieser Anblick des Atomkraftwerk Philippsburg (AKW) kein unbekannter.
Seit 40 Jahren schon sorgt das Kraftwerk auf der Rheinschanzinsel bei Philippsburg dafür, dass in den Haushalten in der Region Strom aus den Steckdosen kommt. Doch damit ist bald Schluss: Spätestens am 31. Dezember 2019 werden die Wasserdampfwolken erlöschen, die letzten Kilowattstunden Strom in das Stromnetz eingespeist und im AKW sinnbildlich die Lichter ausgehen.

Wann wird abgeschaltet?
Denn: Block 2 des Kraftwerks - genannt KKP2 - muss bis zum Ende des Jahres vom Netz genommen werden. Das regelt das Atomgesetz. In Betrieb ging der Reaktor im Jahr 1984. Sein "Bruder", KKP1, produziert bereits seit 2011 keinen Strom mehr, wird seit 2017 zurückgebaut. Nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 schaltete der Betreiber, der Energiekonzern EnBW, den Block ab.
Dieses Schicksal ereilt nun auch KKP2. Wann genau der Ausschalter umgelegt wird, steht aber noch nicht fest. "Ich werde gar nicht anfangen zu spekulieren. Laut Gesetz muss die Anlage spätestens um Mitternacht am 31. Dezember vom Netz sein. Alles andere werden wir zum geeigneten Zeitpunkt kommunizieren", erklärt Jörg Michels, Geschäftsführer der EnBW Kernkraft GmbH (EnKK), die mit der Stilllegung und dem Rückbau des AKW betraut ist.

Wie geht das vonstatten?
Wenn der "Tag X" dann gekommen ist, soll alles recht schnell gehen: Innerhalb weniger Stunden können die Mitarbeiter der sogenannten "Warte", also des Kontrollzentrums, die Anlage des KKP2-Reaktors vollständig hinunterfahren:
Doch auch nach der Abschaltung ist Block 2 aber noch nicht ganz "aus". Lüftungs- und Kühlsysteme müssen weiter laufen und natürlich auch überwacht werden. Sicherheitsbedenken hat Michels dabei aber nicht: "Das ist nichts anderes, als bei allen Abfahrvorgängen, die wir bisher auch routinemäßig hatten", erklärt er.

Auch die sogenannten "Reaktorfahrer" in der Warte - die Hüter über zahllose Schalter, Anzeigen und Messwerte - kennen sich mit dem Prozedere aus, frischen ihre Kenntnisse aus der Ausbildung laut Michels regelmäßig im Simulator auf.
"Die ideologischen Grabenkämpfe gehören der Vergangenheit an"
Dass viele Bürger bei dem Gedanken an den Rückbau aber noch nicht beruhigt sind, kann der EnKK-Chef verstehen, möchte aber beruhigen: "Es findet dann gar keine nukleare Kettenreaktion mehr statt. 99 Prozent der Radioaktivität der Anlage steckt in den Brennelementen, die in einem Wasserbecken abkühlen."

Von dem restlichen einen Prozent wiederum entfallen 99 Prozent auf den Reaktordruckbehälter sowie dessen Einbauten, die unter Wasser zerlegt werden sollen. "Für den gesamten Rückbau bleibt also nur ein Hunderttausendstel bis ein Millionstel der Aktivität übrig, die wir im Leistungsbetrieb hatten. Daher kann man sagen: Der Rückbau ist absolut sicher und verantwortlich durchführbar", meint Jörg Michels.
Im AKW Obrigheim wird der Reaktor schon zurückgebaut. So soll es auch KKP2 ergehen:
Die Vorbehalte und Sorgen der Bevölkerung seien seiner Ansicht nach durch Transparenz und Info-Veranstaltungen sogar zurückgegangen: "Wir sind froh, dass die ideologischen Grabenkämpfe der Vergangenheit angehören und wir nun in der Sache diskutieren. Aber alle werden wir natürlich nie überzeugen können."
Umweltministerium muss grünes Licht geben
Ist KKP2 dann erst einmal abgeschaltet, die Brennelemente in das benachbarte Lagerbecken überführt und die nuklearen Systeme dekontaminiert, könnte der eigentliche Rückbau starten - zumindest theoretisch, denn vorher muss das Landesumweltministerium der EnBW die offizielle "Stilllegungs- und Abbaugenehmigung" erteilen. Damit rechnet Jörg Michels aber bis Ende dieses Jahres.

Doch was passiert mit den zirka 783.000 Tonnen Abbaumasse, die beim Rückbau des Reaktorblocks 2 entstehen werden? Etwa 97 Prozent davon gelten nach Angaben der EnBW als unbedenklich und sollen daher direkt wieder in den Wertstoffkreislauf eingespeist werden, ein bis zwei weitere Prozent sollen durch Reinigung dekontaminiert und dann ebenfalls als unbedenklich eingestuft werden.
Brennelemente und radioaktiver Abfall bleiben in Philippsburg
Übrig bleibt laut der Kraftwerkbetreiber ein Prozent des sogenannten schwach- und mittelradioaktiven Abfalls, der 2027 in speziellen "Konrad-Behältern" in das noch im Bau befindliche Endlager Schacht Konrad in Niedersachsen überführt werden soll. So lange lagert der Abfall im Standortabfalllager (SAL) auf dem 600.000 Quadratmeter großen Gelände des AKW in Philippsburg.

Dort sollen in drei bis vier Jahren - wenn sie abgekühlt sind - auch die Brennelemente ihr vorläufiges Zuhause finden, fest verpackt in Castor-Behältern und in einem separaten Zwischenlager.
Der Sicherheitsbehälter im Reaktorgebäude von KKP1 vor und nach dem Rückbau:
Kühltürme könnten schon 2020 gesprengt werden
Ein Schicksal der Kraftwerksbauten ist aber noch nicht endgültig besiegelt: das der beiden großen Kühltürme. Wenn es nach den EnBW geht, sollen sie bereits im kommenden Jahr mit einer Sprengung dem Erdboden gleich gemacht werden. Ob das auch tatsächlich so kommt, soll ebenfalls 2020 entschieden werden.

Zehn bis 15 Jahre und geschätzte Kosten von 7,5 Milliarden Euro später sollen Industrieanlagen, Reaktoren und Kühltürme einer grünen Wiese Platz machen, auf der nur noch ein Konverter steht - und die Atom-Ära in Philippsburg wird nach rund 50 Jahren endgültig zu Ende gehen.
Die Haube der Turbinen im Maschinenhaus von KKP1 vor und nach der Demontage:




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22.11.2019 09:34 Uhr
22.11.2019 09:44 Uhr
22.11.2019 15:19 Uhr
22.11.2019 20:27 Uhr
Da haben Sie offensichtlich den Schuss nicht gehört. Oder Sie haben die tolle Idee, wie man radioaktiven Abfall sicher lagern kann und natürlich auch laufende Kernkraftwerke sicher betreiben kann. Da könnten Sie Milliarden mit verdienen. Immer zu! Sie können Technik!
Kopf -> Tisch
23.11.2019 12:05 Uhr
Also fangen Sie an zu Arbeiten.
Ein Tipp hinterfrage alles glaube nichts!
21.11.2019 18:47 Uhr
😊
21.11.2019 13:09 Uhr
Quelle: Fraunhofer Institut
21.11.2019 17:18 Uhr
"https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/3_abb_pev-energietraeger_2019-02-26.png"
Der von Ihnen angeführte Wert bezieht sich nur auf die Elektrische Energie!
Damit führen die Müslis die Bürger in die Irre, deshalb glauben Sie in diesen Sachen nicht alles.
Der Anteil von Windmühlenstrom beträgt sogar nur ca. 3,5 bis 4,5%
Der von Solarpaneelen sogar nur ca. 1%
21.11.2019 09:44 Uhr
projekte wie Deserttec und andere die allerdings wenn man es richtig macht den tot für EnBW, RWE & co bedeuten würden... und auch jedem einzelnen erstmal richtig teuer kommen würden. Langfristig auf 50-100 Jahre gesehen wäre es das beste was man tun könnte... aber das übersteigt die Lebensspanne und erst recht die Wahlperiode um längen.... und damit wird es schon mal wieder uninteressant.
Egal ob Politker oder Fridays for Future.... das große ganze will keiner sehen. Kohle + Atomkraftaussteig ist nicht möglich.... frage ist nur ob man konzentrierten hochgiftigen müll will (Atomkraft)..
21.11.2019 09:51 Uhr