Karlsruhe Phänomen Bürgerinitiativen: Warum Gegenwind von Bürgern für die Politik wichtig ist und nicht alle "Hauptsache dagegen" sind
Ein neuer Sportpark soll gebaut werden? Ja gerne, aber nicht hier. Die Gemeinde möchte einen Windpark errichten, um die erneuerbaren Energien weiter auszubauen? Ja gerne, aber nicht hier. Sprechen sich Bürger gegen politische Projekte aus, geschieht dies oft in sogenannten Bürgerinitiativen (BI) - so auch in Karlsruhe. Dabei engagieren sich BI nur lokal, können aber nicht immer etwas bewegen. "Wir fühlen uns nicht immer von der Stadt ernst genommen", weiß Roland Kullmann, engagierter Bürger aus Durlach.
Dass Bürgerinitiativen, egal für welches Projekt, immer nur dagegen sind, sieht Roland Kullmann, engagierter Bürger in einer Karlsruher Initiative nicht: "Diese Sichtweise muss ich ablehnen!", sagt er. "Um das Negativimage abzuwenden, sollte eine Bürgerintitiative nicht unter die Gürtellinie gehen, das wäre sonst unfair!"
Roland Kullmann kämpfte gegen "Gewerbegebiet Untere Hub"
Roland Kullmann kämpft seit 2003 gegen eine Bebauung der Unteren Hub, ein Areal zwischen der A5 und dem Elfmorgenbruch und der Anschlussstelle Karlsruhe-Nord. Etwa 16 Hektar hat das Gelände und wenn es nach dem Willen der Stadt Karlsruhe geht, zunächst war ein Gewerbegebiet geplant, jetzt steht fest: Es soll ein Sportpark gebaut werden, mit Tennisplätzen, einer Sporthalle und Fußballplätzen.
Deswegen hat sich Roland Kullmann mit fünf Mitstreitern zusammengetan und die Bürgerinitiative (BI) "Naturschutz Untere Hub" gegründet. "Wir haben nur zufällig mitbekommen, dass auf dem Areal gebaut werden soll", sagt der Sprecher der BI. Über 5.000 Unterschriften haben sie seinerzeit an den damaligen Oberbürgermeister Heinz Fenrich übergeben um sich gegen die Bebauung zu wehren.
Hauptsache dagegen? Von wegen!
Auch Andreas Gold von der BI "Erhaltet die Hundebeutel" findet nicht, das Bürgerinitiativen nur dagegen sind. "Viele die 'dagegen' sind, schreien nur ihren persönlichen Frust raus. Lauthals zu schreien, die Stadt soll etwas tun, ändert die Situation aber nicht", sagt Gold im Gespräch mit ka-news.

Dass BI ausschließlich gegen etwas sind, kann auch Michael Zerr nicht bestätigen. "Sie bringen typischerweise vernachlässigte Themen auf den Plan. Es gibt auch nicht nur dagegen sondern auch viel dafür", sagt der Politikwissenschaftler von der Karlshochschule gegenüber ka-news. Beispielsweise der Hambacher Forst, hier haben sich viele Menschen für den Erhalt des Waldes eingesetzt.
Was sind Bürgerinitiativen?
Warum bilden sich BI? "Themen werden relevant und sobald die Relevanz zunimmt, löst es eine Handlung bei den Menschen aus, sie gehen hin und engagieren sich", so Zerr. Heißt: Wenn Menschen persönlich betroffen sind, dann wird ihr Handlungsdruck größer. Und dann bilden sich Zusammenschlüsse wie Bürgerinitiativen - damit sich etwas ändert.

Das Besondere an Bürgerinitiativen: Oft handeln sie nur in einem sehr lokalen Umfeld. Viele Bürgerinitiativen sind lediglich eine "One-Topic"-Bewegung, sie konzentrieren sich nur auf einen Punkt, der sie beschäftigt.
Aus einer Bürgerinitiative kann etwas Großes werden
Bei Bedarf kann daraus aber etwas größeres werden und verschiedene Initiativen können sich zusammenschließen. "Wenn sich verschiedene Interessen zusammentun, kann aus einer sozialen Bewegung eine Partei werden", erklärt der Politikwissenschaftler Michael Zerr. "Dann wird die Bewegung stabiler!" So beispielsweise geschehen bei der heutigen Partei "Bündnis 90/Die Grünen". Ein weiterer positiver Effekt: Die Bandbreite an Themen in einer solchen Bewegung ist tendenziell größer.

Gleichzeitig sind BI für das politische System und auch die Demokratie wichtig: "Jedes System, dass sich abschottet und Ideen von Bürgerinnen und Bürgern nicht aufnimmt, führt zu Unterdrückung und Instabilität im System. Wenn das System dazu nicht in der Lage ist, wird es 'morsch' und bricht im Laufe der Zeit zusammen!"
Politik muss BI ernst nehmen
Daher ist es wichtig, die lokalen Bedenken der Bürgerinitiativen ernst zu nehmen, erklärt Michael Zerr, Professor für Politikwissenschaften an der Karlshochschule. "Zum einen ist eine partizipativere Welt nur dann möglich, wenn unterschiedliche Interessen auf den Tisch kommen, die gerade nicht wahrgenommen werden", so Zerr gegenüber ka-news.
"In gewisser Weise fühlen wir uns schon von der Politik ernst genommen ", sagt Kullmann gegenüber ka-news. "Aber es gibt eine Art Parallelwelt: Die Stadt schreibt uns immer wieder, dass uns zur Kenntnis nimmt - sie weiterhin wie bisher plant. Als Ansprechpartner sind wird wir immer noch sehr gefragt!"
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07.03.2019 08:51 Uhr
Aktuell fallen mir dazu zwei ein - sicherlich gibt es noch mehr:
Ortschaftsrätin Ursula Seliger in Wettersbach, die sich für den Erhalt des alten Buchenwaldes an der Klamm in der BI gegen die Bebauung durch Windkraftanlagen eingesetzt hat und die Wahlliste "Bürger für Wettersbach" mitbegründet hat und auf Anhieb in den Ortschaftsrat gewählt wurde.
Stadt- und Ortschaftsrat Jürgen Wenzel, der über Mehr Demokratie die Bürgerinitiativen "Hände weg vom Festplatz" und „Stoppt den Stadtbahntunnel – für eine lebendige Innenstadt“ mitgegründet hat und mit Aktiven des 2. Bürgerentscheides zur U-Strab die Wahlliste "Bürger für Karlsruhe - BüKA" gründete, die heute ein Teil der Freien Wähler Karlsruhe sind.
06.03.2019 14:11 Uhr
- einem momentanen Missstand Abhilfe zu schaffen
- einem dauerhaften Misstand Abhilfe zu schaffen oder aus
- egoistischen Gründen einen geplanten Zustand zu verhindern.
Letztere sind dann in aller Regel solche Leute, denen zwar alles recht ist, "nur nicht vor meiner Tür" , die wenig bis gar kein Interesse an der Lösung gesamtgesellschaftlicher Probleme haben, wie z. B.
die Strabas in der Kaiserstrasse zu belassen, weil die Tunnelbahn für viele Fahrgäste aus der Waldstadt, Heide oder Südweststadt erhebliche Unannehmlichkeiten bringt. Leider wird dieses Thema von den Parteien tabuisiert, aus Opportunität oder weil deren Mitglieder den Öffi eher nicht nutzen.
Parteien nehmen sich erst dann eines Themas an, wenn sich viele Betroffene mit einigen tausend Unterschriften zu wehren versuchen.
Auch wenn manche BI offensichtlich ins Leere läuft, wie bei der "Unteren Hub", kann sie doch zumindest
ein Problembewusstsein bei anderen bewirken.
06.03.2019 12:51 Uhr
06.03.2019 13:31 Uhr
Was bewegt dich denn, beim VCD mitzumachen? Schreib mir, gerne auch per Mail an redaktion@ka-news.de
Anya
06.03.2019 07:58 Uhr
08.03.2019 09:16 Uhr