Karlsruhe Karlsruher Stadträte: Staatstheater-Umbau "ganz oder gar nicht"
Die Diskussion am Dienstagabend im Karlsruher Gemeinderat ging lange: Zwei Stunden tauschten Stadträte und Stadtverwaltung ihre Standpunkte sowie das pro und kontra zum Millionen-Umbau des Badischen Staatstheater aus. Die Reaktionen der Stadträte reichten von der Kritik an fehlender Bürgerbeteiligung über Schock-Starre bis hin zum Raumsonden-Vergleich.
Mit dem Ende der Sommerpause startet der Karlsruher Gemeinderat in eine Reihe von Sitzungen in diesem Jahr, die thematisch gesehen von "historischer Bedeutung" seien. So leitete Oberbürgermeister Frank Mentrup die erste eben dieser bedeutenden Sitzungen ein.
Auf der Tagesordnung stand nichts geringeres als die Zukunft des Badischen Staatstheaters. Das Haus, das seit 1975 an dieser Stelle im Betrieb ist, ist sanierungsbedürftig: Unter anderem muss der Brand-, Klima- und Arbeitsschutz verbessert werden. Aber - und auch das kam am Dienstag im Gemeinderat mehrfach zu Wort, entspricht das Theater baulich nicht mehr den heutigen Ansprüchen.
Neubau soll Missstände beim Staatstheater beheben
Kritisiert wird beispielsweise eine mangelnde Effizienz, weil beispielsweise die Probebühne ausgelagert ist, das "Junge Theater" ist ebenfalls nicht im Gebäude angesiedelt. Mit einem Umbau soll die Situation für die Künstler verbessert, aber auch die Energie- und Betriebskosten gesenkt werden. Das dies nötig ist, daran wurde im Gemeinderat nicht gezweifelt - keine der Fraktionen sprach sich grundsätzlich gegen einen Um- und teilweisen Neubau aus.
Dennoch gab es, bevor der Tagesordnungspunkt zur Abstimmung kam, einiges zu Klären: Zur Beschlussvorlage der Stadt reichten die Grünen, GfK und die CDU jeweils einen Änderungsantrag ein. Hinzu kamen drei weiteren Anfragen von FDP, GfK und einer gemeinsamen Anfrage von FDP, GfK, Freie Wähler und von Stefan Schmitt. Grob zusammengefasst ging es allen Fraktionen darum, ob nicht die Kosten gesenkt werden können.
2013 hatte der Gemeinderat die Sanierung für rund 125 Millionen Euro beschlossen - 2015 folgte der Startschuss für die Erweiterung und Sanierung mit der endgültigen Planungsvergabe an die Sieger des Architektenwettbewerbs. Inzwischen sind die veranschlagten Kosten auf rund 325-Millionen Euro angestiegen. Grund dafür: Während es sich bei der ersten Zahl nur um einen ersten Testentwurf handelte, basiert die zweite Hausnummer nun auf dem Ergebnis des Architekten-Wettbewerbs.
Erst ein Entwurf, jetzt die Vollkostenrechnung
Zum Einstieg in die Diskussion fasste Oberbürgermeister Frank Mentrup zunächst die Einschätzung der Stadt zusammen: So sei eben diese neue Diskussion überhaupt erst nötig geworden, weil nun eine Vollkostenrechnung vorliege - also eine Summe, in der Baunebenkosten, Baupreissteigerung, Theaterausstattung, Risikosummen und die Betriebskosten des Theaters beim Bau eingerechnet seien.
"Ich kann die Kritik am Kostensprung nachvollziehen", so Mentrup weiter. Er bittet die Stadträte um Verständnis, dass in den vergangenen Jahren keine neuen Zahlen veröffentlicht worden sind. Was das angeht sei er, vor allem in Anbetracht der Kombilösung, nun sensibler geworden, so das Stadtoberhaupt.
CDU: Theater besitzt "Strahlkraft über Stadtgrenzen"
"Kultur braucht eine breite Basis, aber auch eine Spitze", leitet Albert Käuflein (CDU) seinen Diskussionsbeitrag für die CDU ein. "Und diese Spitze ist das Staatstheater, welches eine Stahlkraft über die Stadtgrenzen hinaus hat." Doch gleichzeitig betont er, dass die CDU bei dem vorgestellten Konzept durchaus Einsparpotential "von rund 47 Millionen Euro" sieht. Daher schlägt seine Fraktion eine Art "Kostendeckel" vor, der die Grenze der maximalen Ausgaben auf 300 Millionen Euro festlegt. Die Stadt müsste davon dann 150 Millionen Euro aufbringen, da die Hälfte der Kosten vom Land getragen werden.
Auf die Suche nach Einsparmöglichkeiten haben sich auch die SPD gemacht, wie Elke Ernemann berichtet, aber nur mit mäßigem Erfolg: "Wir haben keinen großen Einsparbrocken gefunden." So sei weder an der Ausstattung noch an der Architektur Potential zum Sparen vorhanden. Die SPD sehe daher keine Alternative, als dieser schwierigen Entscheidung zuzustimmen - aber mit einem Hinweis an das Theater: Hier solle der große Willen gezeigt werden, Betriebskosten künftig einzusparen - "noch mehr Zuschüsse darf es nicht geben!", so Ernemann.
Grüne: Angesichts der Summe in Schock verfallen
Ute Leidig (Grünen) beschreibt, wie sie als sie die Summe hörte, "in Schock verfiel." Aber je länger sie und ihre Fraktion darüber nachdachten und nachrechneten, desto mehr akzeptierten sie die Summe, so die Stadträtin. Denn auch die Grünen suchten nach Einsparpotential, so Leidig, aber die Berechnungen seien komplex und miteinander verwoben.
Daher stellte man sich die Frage: "Können wir das mittragen?" - und fand ein klares "Ja" als Antwort. Damit solle den "Karlsruhern und den Menschen der Region ein Staatstheater" gegeben werden - und die "derzeit untragbaren Zustände für die Mitarbeiter" verbessert werden, so Leidig.
Mit der Raumsonde "Cassini" verglich Stadtrat Michael Haug (Kult) das Projekt "Staatstheater". Auch hierbei habe es sich um ein Gemeinschaftsprojekt gehandelt, welches immer teurer wurde und vor dem die Frage stand, ob die Erforschung des Saturns überhaupt nötig sei - mit der Antwort, dass der Mensch immer nach der Steigerung des Wissens strebt. "Am Theater strebt man auch nach den Sternen. Lassen sie die Sonde "Theater" fliegen, mit der stabilsten Technik an Bord, die es gibt", mahnt er gegen die Kürzungen im Plan.

FDP: "Die Fehler nicht noch einmal machen"
Tom Hoyem (FDP) spricht in seinem Redebeitrag von einem "gigantischen Sprung in der Theaterentwicklung". Mit dem Bauprojekt bekäme nicht nur das Theater, sondern auch die Umgebung eine ganz neue Bedeutung. Und "wir bauen neue Kunstmöglichkeiten, ein neuer Rahmen für Erlebnisse für Besucher." Er erinnert an die Bauzeit in den 1970er Jahren, als das Geld knapp wurde und daher am Bau gespart wurde und sagt daher: "Die Einsparungen bei der Bauzeit haben viele Probleme für die jetzigen Mitarbeiter mit sich gebracht. Diesen Fehler sollte nicht nochmal gemacht werden."
Paul Schmidt (AfD) wundert sich derweil über den Verlauf der Debatte: Im Mai habe man noch an 120 Millionen gedacht - nun sei die Summe auf 325 Millionen angestiegen. "Da muss ich mich schon wundern, dass eine solche Entscheidung getroffen wird, obwohl so vieles noch gar nicht klar ist. Es sind noch gar nicht alle Alternativen durchdacht worden", kritisiert er.
Linke: "Es gab einen Investitionsstau"
Für Niko Fostiropoulos (Linke) ist es kein Wunder, dass die Summe beim Staatstheater so hoch ausfällt, "weil es einen Investitionsstau gab!". Weiter: "Ich finde es gut, dass die Berechnungsweise der Stadt angepasst wurde, mit Puffer, und so davon ausgegangen werden kann, dass die Kosten so rauskommen, wie sie ausgerechnet wurden."
"120 Millionen Euro standen im Raum. Oberbürgermeister Mentrup hat sich hier auf die Ingenieure verlassen, die Gemeinderäte auf Herrn Mentrup. Aber auf wen kann man sich verlassen?", fragt Friedemann Kalmbach (GfK) am Dienstag. Weiter stellt er die Frage, ob die kalkulierten zwei Millionen Euro an Einsparungen durch ein effizienteres Arbeiten im künftigen Theater-Alltag überhaupt realistisch sind: "Das Badische Staatstheater ist nicht für seinen Sparwillen bekannt." Zudem fehle ihm eine Beteiligung der Bürger an der Entscheidung und das Aufzeigen von Alternativen. "Ja, das Staatstheater ist wichtig, aber so nicht!", fasst er seine Entscheidung zusammen.
Auch Jürgen Wenzel (Freie Wähler) beschreibt, dass er sich mit der Entscheidung schwer getan hat: "Heute ist keine Diskussion 'Brauchen wir das Staatstheater oder nicht?', sondern es geht um die Investition. Und damit ist es eine Scheindiskussion", kritisiert er. Die 325 Millionen Euro hält er für unrealistisch und rechnet mit noch höheren Ausgaben. Aber: "Wir wollen kein Provisorium und kein Stückwerk, wir wollen das Theater ganz oder gar nicht", begründet er seine Zustimmung für die Pläne.
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29.09.2017 08:54 Uhr
In Wirklichkeit gehts nicht um Kultur. Sondern um die Interpretation derselben. Shakespeare kann man (übertrieben gesagt) auch in der Scheune (oder in neuen Stadion
Die Begründung "Kultur" für ein Staatstheater trägt genausowenig wie die Begründung "Nichtverdursten" für den Champagner.
28.09.2017 11:15 Uhr
28.09.2017 09:02 Uhr
Und jetzt: Das Geld wird mit vollen Händen verteilt, als hätte man einen Goldvorrat im Rathauskeller entdeckt.
28.09.2017 09:40 Uhr
Die wissen genau, dass Schwache zu schwach sind und sich nicht richtig wehren können. Das gibt zwar wieder Stoff für tolle Theateraufführungen mit Sozialkritik, aber nach den Aufführungen geht man dann gut essen und plaudert nett.
Und klar wird sein, dass bei einer schelchten Haushaltslage das Argument kommen wird, dass man dafür nichts kann, weil immer jemand gefunden wird, der Schuld daran sein muss - nur nicht die Stadt.
28.09.2017 03:13 Uhr
Und selbst bei meinem "Lieblingsthema" sollte man den Verantwortlichen sehr deutlich die "gelbe Karte" zeigen, wenn sich nicht bereit sind einen Sponsor zu präsentieren, der die ganze Schosse auch die nächsten 30 Jahre bezahlt.
28.09.2017 00:36 Uhr
28.09.2017 00:21 Uhr
27.09.2017 17:04 Uhr
Vielleicht wäre es einfach langsam mal an der Zeit ein bisschen kleinere Brötchen zu backen. Also weg mit dem Ding, Neubau hin, aber halt mit Sinn und Verstand. Kleiner und feiner.
Da muss auch für 220-250 Millionen (auch schon eine Irrsinnssumme) was zu machen sein.
Wir sind nicht Hamburg, Berlin oder München!
28.09.2017 09:26 Uhr
So etwas baut man nicht alle paar Jahre und Jahrhundertprojekte dürften auch etwas kosten. Nur gleichzeitig über die klamme Haushaltslage zu jammern, das passt nun wirklich gar nicht.
Hat die Stadt Karlsruhe Geld oder nicht? Geld haben oder nicht haben, das ist hier die Frage.
Ähnlich wie bei: "To be, or not to be, that is the question."
Es wird schwierig werden viele kleine Einsparungen auf Kosten Schwacher zu begründen. Machen kann man sie, das ist gar keine Frage.
28.09.2017 09:06 Uhr
noch in Hundert-Tausender-Schritten gerechnet wird, beißt sich die Katze in den Schwanz.
Die werden das durchziehen und die gewünschte Albphilharmonie hinstellen koste es was es wolle.
Man gönnt sich ja sonst nichts.
Der Brocken Klinikum macht offenbar wegen der Kosten weniger Sorgen, aber halt, da kann man ja am
Personal einsparen oder Stationen schließen falls das Defizit zu hoch werden sollte.
In was für einer Welt leben wir bloß ?