Karlsruhe Alkoholkonsumraum in Karlsruhe: "Wir möchten damit ein Wohnzimmer für einen Teil der Szene anbieten"
Nach zweijähriger Planung eröffnete die Diakonie Karlsruhe am Freitag den sogenannten Alkohol Akzeptierenden Aufenthaltsraum in der Südstadt. Hier können Suchtkranke selbst mitgebrachten Alkohol konsumieren. Ziel ist es, die seit Jahren angespannte Situation auf dem Werderplatz zu entschärfen.
In dem Alkohol Akzeptierenden Aufenthaltsraum, kurz "A hoch 3" genannt, sollen sich Betroffene an sechs Tagen pro Woche ungestört treffen und - mit Ausnahme von Schnaps - niedrigprozentigen Alkohol trinken können. Zudem bietet die Diakonie hier niedrigschwellige Hilfe an, wie etwa Sportaktivitäten oder die Möglichkeit zur Beratung durch Sozialarbeiter.

Dabei ist der Diakonie der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen Besucher und Mitarbeiter besonders wichtig: "Gerade durch das akzeptierende Angebot sollen Menschen erreicht werden, die zu den bestehenden Regelangeboten kaum Zugang haben."
Die Einrichtung selbst ist die erste ihrer Art in Baden-Württemberg, jedoch hat Bochum bereits gute Erfahrungen mit einem ähnlichen Konzept gemacht. Mit dem Karlsruher "A hoch 3" will die Diakonie vor allem zur Entspannung der Situation auf dem Werderplatz beitragen.

Brennpunkt Werderplatz
Der ist seit vielen Jahren ein sozialer Brennpunkt in Karlsruhe. Bis zu 80 Süchtige treffen sich dort pro Tag und verunsichern durch ihre Anwesenheit und ihr Verhalten sowohl Anwohner als auch Gewerbetreibende, so Ordnungsamtleiter Björn Weiße am Freitag. "Seit fünf Jahrzehnten wird der Werderplatz etwa alle zehn Jahre von einer Problemwelle überspült", meint auch Bürgermeister Martin Lenz. "Aber so extrem war es noch nie!"
Vor allem das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger habe nach Aussage des Ordnungsamtleiters in der Vergangenheit gelitten. "Durch eine erhöhte Polizeipräsenz können wir das aber wieder in den Griff bekommen", zeigt er sich zuversichtlich. Sieben bis acht Mal täglich fährt deshalb eine Polizeistreife den Werderplatz an. "Zudem sollen Schwerpunktkontrollen folgen", so Weiße.
Bürgermeister Lenz sieht in dem neu eingerichteten Akoholkonsumraum eine gute Möglichkeit, zu der Verbesserung auf dem Platz beizutragen: Das Angebot soll die Alkoholkonsumenten von der Straße holen: "Wir möchten mit dem Raum ein Wohnzimmer für einen Teil der Szene anbieten."

Drogenkonsumraum und Alkoholverbot
Doch der "A hoch 3" ist nur eine von mehreren Maßnahmen, die eine 2016 gegründete Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Lage auf dem Werderplatz durchsetzen will. So soll noch im Herbst im Gemeinderat die Entscheidung um ein mögliches Alkoholverbot auf dem Werderplatz fallen. "Das ist nur durchsetzbar, wenn andere polizeiliche Maßnahmen nicht ausreichen", sagt Björn Weiße, Leiter des Ordnungsamtes. "Diese Voraussetzung ist am Werderplatz definitiv gegeben!"

Ergänzend ist ebenfalls ein Drogenkonsumraum in Planung. Der soll die Menschen erreichen, die nicht abstinent werden wollen oder können. "Wir hoffen, Anfang nächstes Jahr entsprechende Räumlichkeiten zu finden", sagt Cordula Sailer, Drogenbeauftragte der Stadt Karlsruhe.
"Es ist ein Versuchsballon"

Nun soll sich aber erst einmal der "A hoch 3" beweisen. Ob er tatsächlich zur Verbesserung der Problematik in der Südstadt, aber vor allem auf dem Werderplatz beitragen kann, bleibt laut Karslruher Diakonie-Direktor Wolfgang Stoll abzuwarten: "Es ist ein Versuchsballon." Doch er sieht die Lage auch realistisch: "Ich glaube nicht, dass mit dem Angebot alle Probleme der Südstadt gelöst werden können!"
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23.09.2018 06:00 Uhr
Ich habe einige Zeit mit Alkoholabhängigen gearbeitet. Bei manchen ist man froh, wenn sie am Leben bleiben. 2 Menschen habe ich in der Zeit sterben sehen, beides Menschen, die mein Herz berührten - trotz nicht immer adäquatem Verhalten. Einer davon war auch regelmäßig auf dem Werderplatz.
Es sind Menschen, die Hilfe brauchen. Nicht jede Unterstützung bringt sofort etwas, macnhes Engagement ist auch vergebens. Aber jeder gute Tag für diese Menschen - die ja selten einfach so alkoholabhängig wurden - kann ein Schritt zurück in die Normalität sein. Manchen gelingt es, manchen nicht.
23.09.2018 10:56 Uhr
Ja, und wer ist die Gesellschaft? ....Richtig, das sind wir, die Steuerzahler. Wir alle, die Gesellschaft, ich sage jetzt nicht das Volk, allein dafür bekommt man ja hier schon einen braunen Kittel angezogen, also die Gesellschaft muss ihre sozialen Einrichtungen und gesetzlichen Versicherungen erst einmal insgesamt einbezahlen. Es ist ein Verdienst der Diakonie, auch aus der christlichen Aufgabenstellung, dass sie sich um Sozialbereiche kümmert. Die Anmietung des Raumes bezahlt die Diakonie und wir finanzieren diese wieder nicht nur durch die Kirchensteuer, sondern auch durch Millionenbeträge an die christlichen Kirchen/Einrichtungen über Lohn- und Einkommenssteuer. Womit wir wieder beim Steuerzahler, also der Gesellschaft wären.
Bei bis zu 80 Süchtigen täglich am Werderplatz, wird man durch diesen Aufenthaltsraum für ein paar Leute das Problem nicht in den Griff bekommen.
23.09.2018 13:28 Uhr
Die Diakonie ist Teil der Kirche und dass die Kirche Geld bekommt, ist Teil einer Reihe von Verträgen mit ebendieser Kirche. Basierend auf den Ausbeutungsmechanismen, aus denen sich diese Kirche bis heute finanziert. Aber: die Kirche insgesamt aht diese Rolle in der Gesellschaft und es gibt wenige, die diese Rolle übernehmen könnten. Also ist es mir lieber, die Diakonie tut, was sie tut.
Jede*r Mensch ist es wert, dass man sich um ihn kümmert.
03.04.2019 13:10 Uhr
23.09.2018 16:18 Uhr
23.09.2018 14:25 Uhr
"Der Steuerzahler bezahlt das nicht, sondern die Gesellschaft". Noch einmal, alle Steuerzahler und alle die ein versteuertes Einkommen haben und gesetzlich versichert sind, müssen unser Sozialsystem finanzieren, selbstverständlich auch für die Menschen, die ein geringes oder gar kein Einkommen haben und Anspruch auf die gesetzliche Sozialversicherung haben. Nur, jeder hat auch für sich selbst eine Verantwortung.
Alles auf die "Gesellschaft" zu schieben, ist häufig nur eine bequeme Ausrede.
23.09.2018 16:18 Uhr
Sie würden auch von keiner*m Rollstuhlfahrer*in erwarten, dass ersie aufsteht.
23.09.2018 17:54 Uhr
23.09.2018 18:48 Uhr
Tut mir ja leid für Sie, dass Sie so etwas ansehen müssen. Wenn Sie das nicht wollen, ziehen Sie halt auf den Geigersberg. Dass es diese Menschen gibt - wie überall auf der Welt - daran ändert das nichts. Auch Alkoholkranke und Obdachlose gehören zu dieser Gesellschaft. Auch Menschen wie Sie, die meinen, dass solche Menschen eine Belästigung sind. Nun, für mich sind Sie eine Belästigung.
24.09.2018 13:58 Uhr
Mit anderen Worten: Die Arztgattin, die sich das schicke Häuschen auf dem Geigersberg leisten kann, kommt nach der Shoppingtour heim, fährt mit dem Cabrio in die Garage und geht von dort direkt und ungestört ins Wohnzimmer.
Die alleinerziehende Verkäuferin beim Aldi, die sich leider nur eine kleine Wohnung in der Südstadt leisten kann, muss sich auf dem Heimweg von ihrer Schicht an versifften Ecken von pöbelnden Trinkern belästigen lassen.
Genau so funktioniert das, Herr Rupp.