Hans-Joachim Of

"Wie es uns geht? Ich sage mir immer, eigentlich gut. Doch 20 Monate nach dem Unglück ist es nur dann gut, wenn ich wegschaue und nicht nachdenke", so eine betroffene Frau aus dem Ahrtal. Auch wenn sich jetzt der Fokus der Öffentlichkeit auf das schlimme Erdbeben in der Türkei und in Syrien richtete, darf die Katastrophe in Deutschland, die noch immer viel Leid hervorruft, nicht in Vergessenheit geraten, sagen sich viele Aktivisten, die sich seit dem ersten Tag engagieren und dort helfen, wo die Not am Größten ist.

Flut im Ahrtal liegt bald zwei Jahre zurück

Jeder hat die schlimmen Bilder der Flutkatastrophe, die sich im Sommer 2021 im Ahrtal ereignete, noch vor Augen. In der Nacht vom 15. Juli war die Ahr kein Flüsschen mehr. Tagelanger Regen hatte sie in ein Monster verwandelt und riss ganze Häuser mit. Über 180 Tote waren zu beklagen, das jüngste Opfer war ein Baby. Das Unwetter hatte fast das ganze Ahrtal in großen Teilen zerstört. Auch Eifelorte und Gebiete des Rheinlandes.

"Einfach machen – Patenschaften" heißt die Seite einer Hilfsorganisation, die Initiatorin Nadia Ayche seit Beginn des Jahrhunderthochwassers im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ins Leben rief. Die in Karlsruhe geborene und in Bruchsal lebende Künstlerin sagt: "Erst wenn du mutig bist, findest du heraus, wer du wirklich bist."

Ihre Intention: "Ich will schnell und unbürokratisch jedem Betroffenen mit Geld- oder Sachspenden helfen." Dabei kommt ihr das deutschlandweit agierende Netzwerk aus freiwilligen und ehrenamtlichen Helfern zugute, das den dort lebenden Menschen Hoffnung, Halt und Zuversicht bringt, frei nach dem Motto: "We Ahr Family."

Ausstellung für das Ahrtal
Bild: Hans-Joachim Of

Viele Familien hätten alles verloren, doch Nadia Ayche möchte, dass trotz Pandemie und Krieg in der Ukraine die dortigen Menschen eine Perspektive haben, denn "Solidarität ist das Seil das hält, wenn alle Stricke reißen."

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Bei einer zweitägigen Ausstellung, die kürzlich in der Jugendstilfesthalle Philippsburg über die Bühne ging, waren etliche Hilfsorganisationen am Start, um in Gesprächen, durch Musikbeiträge oder einer eindrucksvollen Bilderserie der Künstlerin Annett Baumgartner auf die nach wie vor großen Probleme in dieser Region aufmerksam zu machen. Zuvor konnte Nadia Ayche bereits verkünden, dass sie die bekannte Sängerin Lou Hoffner aus Waghäusel, die vor 20 Jahren Deutschland beim Grand Prix in Riga vertreten hatte, künftig als Botschafterin und Patin gewinnen konnte.

"Fassungsloses Kopfschütteln"

Lou Hoffner, die sich zusammen mit Nadia Ayche vor Ort ein Bild machte: "Wenn man sich mit den Hintergründen des politischen Versagens auseinandersetzt und sich genau informiert, bleibt am Ende nur fassungsloses Kopfschütteln." Täglich würden weitere, haarsträubende Meldungen von Betroffenen bei ihr eingehen. "Die Menschen im Ahrtal werden in einem Labyrinth aus Bürokratie und Ignoranz seit bald zwei Jahren alleine gelassen.

Ausstellung für das Ahrtal
Bild: Repro: Of

Auch Ebru Baz, Stadträtin aus Waghäusel und Vorsitzende des Vereins "Dialog, Integration, Freundschaft" (DIF) will sich künftig im Rahmen ihrer Möglichkeiten einbringen. Beate E. Wimmer, eine studierte Weinfachfrau aus Minden in Nordrhein-Westfalen hatte durch ihre beruflichen Kontakte in die Weinregion Ahr vom Unglück erfahren und lebt seither in einem Wohnmobil vor Ort, hilft durch viele Aktionen und sagt: "Es ist unserer gesellschaftliche Aufgabe, sich um die Menschen zu kümmern, denen ist nicht so gut geht."

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Zu diesen hilfsbereiten Aktivisten, die Benefizaktionen veranstalten, Vereine gründen und Hilfsgüter ins Ahrtal transportieren gehört auch Jörg Hölzel aus Philippsburg oder Transportunternehmer Dirk Penz aus Venlo in den Niederlanden, der im Winter gespendete Briketts und Feuerholz ehrenamtlich anlieferte. Annett Baumgartner, Grafik-Designerin und Buchautorin aus dem Westerwald zeigte in Philippsburg über 20 großformatige Bilder "die wenige Tage nach der Flutkatastrophe entstanden."

"Bilder die man eigentlich nur aus anderen Ländern kennt"

Schnell war ihr klar geworden, dass sie ein Buch machen, und Spendengelder generieren möchte. Ihre Werke heißen "Stille Zeitzeugen" und "Helfergeschichten." Auch Helmar Hoffmann, Musiker aus dem Saarland, hat ein Album mit dem Titel "Zusammenhalt" aufgenommen, dessen Erlös komplett an die Ahrhilfe geht.

Ausstellung für das Ahrtal
Bild: Repro: Of

Zusammen mit Nadia Ayche gestaltete er die Ausstellung in Philippsburg musikalisch. Als die Sängerin, Songwriterin und Moderatorin die schrecklichen und schockierenden Bilder, "die man eigentlich nur aus anderen Ländern kennt", damals im Fernsehen sah, zeigte sie sich sehr betroffen und fasste den spontanen Entschluss: "Da muss ich helfen. Ich bin gut organisiert, ich gehe das an!"

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Sie begann, im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihre Netzwerke zu aktivieren und Hilfstransporte zu organisieren. "Ich habe alles an Sachspenden, was ich auftreiben konnte, dorthin geschickt." Dank guter Kontakte sammelte sie im Laufe der Zeit eine große Anzahl von Gütern des täglichen Lebens, die von der an vielen Fronten aktiven Netzwerkerin persönlich in die Region gebracht oder den Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellt wurden.

"Ein schrecklicher Anblick"

Bei ihrer ersten Reise ins Ahrtal war sie sehr erschrocken und dachte: "Hier sieht es aus wie im Krieg." Tonnenweise sei das Hab und Gut der leidgeprüften Menschen angehäuft gewesen. "Ein schrecklicher Anblick."

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Ayche ordnet ihre ganze Freizeit ihrem "Herzensprojekt" unter, ist Tag für Tag auf Achse, um zu organisieren, zu vermitteln, zu helfen. Und es geht immer weiter. Auf ihrer eigenen Plattform hat Ayche schon viele Menschen zusammengebracht und sagt: "Was vorstellbar ist, ist auch machbar." Für sie ist dieser Einsatz fast zu einer Lebensaufgabe geworden.

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