(mw)

2 Wochen vorher: Die Lisa, der Simon - wenn Simon dann auch Laura und Marcel - die Liste ist lang und wird immer länger, bis Frau Kontrolle auch überfordert ist und aufgibt, sich einzumischen. Die Kids von heute verzichten auf handgeschriebene Einladungen auf buntem Papier und erstellen eine digitale Veranstaltungsgruppe im Facebook. Nicht übel wäre es, die Einstellungen auf "geheim" zu setzen - klar geht man davon aus, dass vielleicht ein Gast (mehr natürlich nicht) zu viel kommen könnte, aber man will ja im Vorfeld nichts provozieren.

Klar ist auch: Fremdwörter wie "Organisation" stehen nicht in Verbindung mit einem Aufruf im sozialen Netzwerk - mit 20 will man keine feste Bindung eingehen, man heiratet ja schließlich auch nicht, warum also auf "zusagen" klicken, wenn ein "vielleicht" mir Freiheit lässt und mich nicht explizit dazu verpflichtet, einen Salat  mitzubringen. Jetzt kommt das altbackene Papier doch zum Einsatz - in einem ehrfürchtigen Brief an die Nachbarn wollen Charme und Emotionen für Beschwichtigung sorgen: "Am Freitag könnt's lauter werden. T'schuldigung!"

3 Tage vorher: 50 Zusagen - da geht noch was! Der Dielenfußboden der Dreizimmerwohnung knatscht beängstlich in Hinblick darauf, was ihm bevor steht. Der umsichtige WG-Bewohner fährt also in den nächstgelegenen Baumarkt und kauft Plastik-Abdeckplanen für alles was (noch) dreckiger werden könnte. Ein Abstecher zum Getränkehändler des Vertrauens - das Bier könnte sonst knapp werden.

Stichtag, 20 Uhr - eigentlicher Partybeginn: Es gibt kein zurück mehr. Die leergeräumten Zimmer mit Plastik-Belag warten auf Publikum. Apropos' - wo bleiben eigentlich alle? Ungeduldiges Rumgewackel auf dem Küchenstuhl mit der kulinarischen Begleitung von einer Hand voll Salzstangen.

22.15 Uhr: Tatsächlich, pünktlicher als gedacht trudelt das Partyvolk ein - yay! Wie im Sturm sind sämtliche Zimmer, Balkone und Fensterbretter belegt und von einer atemberaubenden Akkustikkulisse beschwingt. Wie im Sturm klingelt es auch an der Tür: "Aufmachen, Polizei! Es gab Beschwerden." Vielleicht hätte man im Brief an die Nachbarn dazu schreiben sollen, welcher Freitag gemeint ist - daran liegts, ohne Zweifel. Ja, man sperrt Fenster und Balkone zu, ja, man redet absofort nur noch in Zimmerlautstärke - alles verständlich, kein Problem.

23 Uhr: Die Jugendherbergsstimmung hält leider Gottes nicht lang an. Ist es nicht die Staatsgewalt in blau, ist es das Rentner-Ehepaar von gegenüber, das sich lautstark und argumentativ dafür ausspricht, die Party abzubrechen. Ach naja, Flunkyball kann man eh besser draußen spielen. Da der einzige Nudelsalat, zubereitet von einer aufmerksamen Kommilitonin, nicht lange hielt, steht nun quasi chronisch die WG-Kühlschranktür offen. Der Klassiker für hungrige Partygäste und Kühlschrankbanditen: Käse in allen Variationen - Luxus: Wiener Würstchen!

1 Uhr: Nach Rausschmiss aus der eigenen Wohnung ist die Party offiziell zwar schon längst vorbei - die Action geht aber weiter, schließlich wollen die penetranten Gäste bis zum bitteren Ende bespaßt werden: Impulsive Menschen kennen eben keine Grenzen. Und passen sich Niveau und Verhaltensmuster an das Vorbild bekannter amerikanischer Teenie-Filme an - ob da in der 90er-Kiste gekramt wird, waghalsige Mutpröbchen auf offener Straße bestanden werden wollen oder Alt-Partykracher wie "Summer of 69" gegrölt werden. Froh ist der, dessen Fahrrad nicht so schwer - denn das läuft Gefahr während nächtlichen Stunts und Touren um den städtischen Studi-Block das ein oder andere Mal das Gleichgewicht zu verlieren.

4 Uhr: Da ist er, der melancholische Punkt, zwischen Alkoholfahne und Nüchternheits-Müdigkeit. Auf einmal sieht die Welt ganz anders aus - da werden einem nie da gewesene Probleme bewusst, man denkt über sein Verhalten nach, Mid-20er-life-Crisis. Ach und bald wird es hell - die magische Eskalation voller Emotionen und Tamtam nähert sich dem Ende. Wer räumt nach vier Stunden Schlaf auf?

10 Uhr: Halb so wild: Zwar häufen sich die Bierflaschen, aber die Plastik-Planen haben ihren Dienst erfüllt. Rührei mit Ketchup zum Frühstück.

Siehe auch:

Wie feiert Karlsruhe? Teil V: Der Kneipen-Karl - Bierchen, Fußball und gut is'

Wie feiert Karlsruhe? Teil IV: Die Couchgenießer - Hauptsache gemütlich

Wie feiert Karlsruhe? Teil III: Der Festival-Freak - "Hoch die Ravioli - drei Tage wach"

Wie feiert Karlsruhe? Teil II: Das Cocktailchick - zwischen Hugo, Mojito und Caipi

Wie feiert Karlsruhe? Teil I: Der Discogänger - "Saturday Night Fever"

Mit der ka-news-Serie "Wie feiert Karlsruhe?" decken wir die Klischees der einzelnen Feiertypen in der Fächerstadt auf: immer samstags servieren wir in den kommenden Wochen eine neue Glosse über die Verhaltensmuster sowie den Abendablauf der verschiedenen Charaktere innerhalb des Karlsruher Partyvolks. Was macht zum Beispiel den typischen WG-Partygänger und was das Cocktailbar-Chick aus? Immer donnerstags gibt es außerdem den "ka-Clubtester" und natürlich noch weitere Artikel rund ums Feiern in Karlsruhe. Hier geht's zu den bisher erschienen Artikeln!

 
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