(von Karin Stenftenagel)

Wer den Ausstellungstitel "Lumière Noire" mit Schwarzlicht übersetzt, ist vielleicht enttäuscht: Von leuchtendem Neonlicht findet sich keine Spur. Trotzdem taucht der Besucher schon mit den ersten Bildern in ein spannungsvolles Spiel von Schwarz und Licht ein. Die Gemälde von Guillaume Bresson zeigen Kampfszenen aus den Pariser Vorstadt-Ghettos in düsterem Licht. Bedrohlich wirken sie aber nur auf den ersten Blick - bei näherem Hinschauen erkennt man in den lachenden Gesichtern die Ironie der Szene.

Deutlich sind bei Bresson auch die Bezüge zu den Klassikern der Kunst, zum Beispiel zu den Historiengemälden Poussins oder Rembrandts. In starkem Kontrast dazu stehen die abstrakten Skulpturen der in Berlin lebenden Künstlerin Sophie Bueno-Boutellier. Die mit hellem Gips bestrichenen gefalteten Objekte erinnern an den Dhoti, das traditionelle indische Beinkleid, das durch Mahatma Ghandi berühmt wurde. In ihren an den russischen Konstruktivismus erinnernden Fadenreliefs kommt das Spiel mit Licht und Schatten zur Geltung.

Spiegelung auf schwarze Tinte: "Wie ein Foto, das nicht existiert"

Ein Spieler ist auch Vincent Tavenne: Seine vorwiegend in Schwarz gehaltenen Schaukästen und raumfüllenden Skulpturen leben von dem ambivalenten Verhältnis zwischen Durchsichtigkeit und Spiegelung. Die schwarz-weiße Reflektion realer Bilder erreicht der aus der tunesischen Hauptstadt Tunis stammende Ismaïl Bahri auf ganz andere, poetische Weise: Sein Video zeigt einen Plastikbecher mit Tusche, den der Künstler durch seine Heimatstadt trägt. Durch die Spiegelung des Lichts auf der schwarzen Flüssigkeit entsteht so ein kalligrafisches Bild der Großstadt. "Wie ein Foto, das nicht existiert", erklärt Bahri im Ausstellungsfilm.

Weitaus verstörender sind die Werke der folgenden beiden Künstler: Damien Deroubaix verarbeitet mit Collage- und Holzschnitt-Technik Acrylfarbe, Papier und Tierschädel zu apokalyptischen Horrorszenarien, die menschliche Urängste heraufbeschwören. Inspiriert von der Musik des Grindcore und Death Metal, vereint sein Werk klassische Vorbilder wie das Totentanz-Motiv und die Holzschnitte Albrecht Dürers mit modernen Weltuntergangsszenarien. Surrealistisch-verstörend wirken auch die Kohlezeichnungen und Ölgemälde von Nick Devereux. Provisorisch arrangierte Skulpturen aus unterschiedlichen Materialien malt er so ab, dass sie den Eindruck realer Szenen oder Porträts erwecken.

"Hochbau" kommt vor dem Fall: Überreste eingestürzter Skulptur zu besichtigen

Nach diesen bedrückenden Bildern kann sich das Auge des Besuchers beim Anblick abstrakter schwarz-weißer Quadrate und grauer Kreuze erholen. Nicolas Chardon verweist damit unter anderem auf Kasimir Malewitschs berühmtes "Schwarzes Quadrat". In der lichtdurchflutenden Rotunde am hinteren Ende der Orangerie sind nur noch Überreste zu bewundern: Die eigens für die Ausstellung geschaffende Skulptur von Vincent Ganivet, eine an gotische Kathedralen erinnernde Gewölbestruktur aus Betonbausteinen, stürzte gut zwei Wochen nach Ausstellungseröffnung in sich zusammen.

Aus der Reihe fällt die Arbeit des selbsternannten Unternehmenskünstlers Yann Toma, der den ehemaligen französischen Energiekonzern "Ouest-Lumière" leitet. Statt elektrischer Energie verkauft Toma künstlerische Energie, zum Beispiel in Form eines inszenierten Mordfalls, der sorgfältig dokumentiert wird. Das formale Spiel von schwarzer Farbe und Lichteinfall rückt hier in den Hintergrund. Die letzte Etappe des Rundgangs bilden die dunklen Zeichnungen von menschenleeren Orten von Dove Allouche sowie mit Tusche übermalte Fotografien aus Zeitschriften, die der Künstler Benjamin Swaim "images surpeintes", übermalte Bilder, nennt.

Alles andere als Grau

Insgesamt bietet die Ausstellung "Lumière Noire - Neue Kunst aus Frankreich" eine schöne Möglichkeit, der alltäglichen Reizüberflutung zu entfliehen und die von Bildschirmarbeit oder bunten Werbebannern müden Augen zu entspannen, während der Geist neue Denkanstöße erhält. Von Einheitsgrau kann in dieser Ausstellung keine Rede sein, vielmehr verliert der Besucher zeitweise den verbindenden Faden zwischen den Kunstwerken.

Andererseits verdeutlichen die vielfältigen künstlerischen Ansätze kulturelle Vielfalt und durch Globalisierung erzeugte Migrationsströme, die die Lebenswelt des Künstlers zwischen Paris, Berlin, New York und Tunis prägen. Auch der Besucher profitiert von der abwechslungsreichen Farblosigkeit, die den Rundgang nie langweilig werden lässt und unterschiedlichen Geschmäckern gerecht wird.

Die Ausstellung ist noch bis 25. September in der Orangerie der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe zu sehen. Der Eintritt beträgt vier Euro, Ermäßigte zahlen 2,50 Euro.

www.kunsthalle-karlsruhe.de

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