Embrace Platform
11.2.–18.4.2022
Eröffnung: Donnerstag, 10. Februar, 18–22 Uhr
Embrace ist eine nomadische Plattform für interdisziplinären kulturellen und künstlerischen Austausch, die nationale sowie internationale Kooperationen fördern möchte. Embrace Platform wurde von Karolina Sobel und Kerstin Möller im Jahr 2020 gegründet und vereint eine Vielzahl medialer Künste wie Videoarbeiten, Fotografie, Sound Installationen, Performances und Workshops. Die Ausstellung Embrace setzt sich für die geschlechtliche Gleichberechtigung und die Normalisierung von nicht-binären Geschlechteridentitäten in Deutschland, Polen und Europa ein. Der Schwerpunkt liegt auf dem künstlerischen Austausch zu den Themen LGBTQIA+ und Frauenrechte, sowie auf Formen des friedlichen Widerstands.
Als erstes Projekt der Plattform zeigt die Ausstellung im Badischen Kunstverein Positionen von eingeladenen polnischen Künstler:innen und Künstler:innen mit einem biografischen Bezug zu Karlsruhe. Die Beiträge von Liliana Zeic sowie Karol Radziszewski & Queer Archives Institute setzen sich mit der Perspektive der queeren Gesichtsschreibung in Polen auseinander. Zeic befasst sich mit der Geschichte der polnischen nicht-normativen Frauen anhand eines Porträts von Narcyza Zmichowska, der ersten polnischen Romanautorin, die Liebe und Leidenschaft zwischen Frauen thematisierte. Karol Radziszewski gibt einen Einblick in das Queer Archives Institute, eine von dem Künstler gegründete Institution als alternative Sammlung queerer Quellen und Kultur aus Mittel- und Osteuropa. Edka Jarzab erarbeitet zusammen mit den Workshop-Teilnehmer:innen ein Audio-Manifest, das sich mit dem Begriff ‚Safe Space‘ auseinandersetzt. Dort wird erkundet, wie normative, dominante Modelle die alltäglichen Auseinandersetzungen mit Queerness, Femmehood und Hochsensibilität erschweren. Mara Ittel und Charlotte Eifler, zwei von einer Jury ausgewählte künstlerische Positionen, befassen sich mit post-digitalen Welten aus einer queeren beziehungsweise feministischen Perspektive. Jessica Kessler interveniert in den Waschräumen des Badischen Kunstverein, um die eigene Binarität kritisch zu hinterfragen, indem sie eine Teilung von Rechts- und Linkshänder:innen vornimmt. Film Screenings in der Kinemathek, mit Interventionen von Karolina Sobel und Kerstin Möller, erweitern die Ausstellung.
Mit Arbeiten von Charlotte Eifler, Mara Ittel, Edka Jarzab, Jessica Kessler, Kerstin Möller, Karol Radziszewski & Queer Archives Institute, Karolina Sobel, Liliana Zeic
Weitere Infos zu dem umfassenden Programm findet ihr hier.


Ulrike Grossarth
gibt es ein grau glühend?...
11.2.-18.4.2022
Eröffnung: Donnerstag, 10. Februar, 18–22 Uhr
"Gibt es ein grau glühend?..." ist die bislang größte Retrospektive Grossarths in Deutschland und reicht von ihren plastischen, installativen Arbeiten der 1980er und 1990er Jahre bis zu den aktuelleren Projekten rund um die Schule von Lublin. Aus dem Tanz kommend konzentriert sich Ulrike Grossarth seit den 1980er Jahren auf die bildende Kunst, wobei die Künstlerin selbst betont, dass sie weniger an der Herstellung von Kunstwerken interessiert ist, als vielmehr Formen und Methoden entwickeln möchte, die ein öffnendes Wahrnehmen ermöglichen. So beschäftigte sich Grossarth in ihren früheren künstlerischen Arbeiten mit der Veranschaulichung ökonomischer Begriffe und fiktiver Tauschaktionen, die sie in den so genannten „public exercises“ als „Übungsreihen zur Überwindung fixierter Kulturmodule“ performativ behandelt. Später galt Ulrike Grossarths Interesse der mittel- und osteuropäischen Geistesgeschichte, respektive der verloren gegangenen jüdischen Geschichte im polnischen Lublin. Es entstand eine über Jahre hinweg angelegte Sammlung aus Fotos, Texten und Postern, die neben Zeichnungen und Projektionen in Grossarths Ensembles einfließen. Die Künstlerin entwirft zudem Figuren, Symbole und Allegorien, die in verschiedenen sozialen Handlungen agieren.
Beeinflusst durch die Formensprache der Encyclopédie von Diderot und d’Alembert und Hannah Arendts Vorstellung vom Handeln als eine „in der Kultur noch zu entwickelnde Größe“ kommt Grossarth zu einer einzigartigen Methode der künstlerischen Forschung, in der sich Materialien verschiedener Kulturen, Geografien und Geistesgeschichten begegnen, um neue kulturelle Milieus zu schaffen. Grossarths künstlerische Praxis reflektiert die Formulierung eines zukünftigen Kunst- und Kulturbegriffs aus den Quellen jüdischer Denk- und Lehrtradition und ihr Interessensschwerpunkt liegt auf anthropologischen Themen. Dazu gehört auch das Studium des Talmuds, das sie in verschiedenen Lerngruppen praktiziert.
Die gemeinsam mit der Künstlerin intensiv vorbereitete Ausstellung im Kunstverein nimmt diese Arbeitsweise und Methode zur Übersetzung kulturgeschichtlicher Phänomene in den Blick, indem die Materialsammlungen in Vitrinen gezeigt werden und sich zugleich im Raum entfalten. Das Ensemble Bau I (1989–97), das 1997 auf der documenta x zu sehen war, ist paradigmatisch für Grossarths künstlerische Herangehensweise, indem sie als Handlung verschiedene Gegenstände auf einem Tisch so arrangiert, dass sie kollektiv zusammenstehen, bewusst unterschiedslos und mengenhaft arrangiert werden und die Vorstellung vom Solitär oder Objektstatus obsolet wird. Diese Studie zu „unbewegten Gegenstandskörpern“ beruft sich auf Grossarths umfangreiche Untersuchung zum Objektbegriff des 20. Jahrhunderts (Duchamp, Warenfetisch, Objektstatus). Der im Kunstverein präsentierte Bau II, rot/grün-grau (1999) ist eine Weiterführung von Bau I und verdeutlicht bildnerisch-plastisch den Versuch, das Spannungsfeld des Komplementären zu überwinden und stattdessen nach einem „vorsprachlichen“ Formenkanon zu suchen, in dem Farben zu zentralen Merkmalen der Gegenstände werden. Neben ausgewählten Werkensembles aus verschiedenen Schaffensperioden, widmet sich eine Ausstellungsebene den so genannten Lubliner Projekten, die Ulrike Grossarth seit 2006 in Polen und der Ukraine veranstaltet. 2014 gründete sie außerdem die Schule von Lublin und 2015 mit SYMBOL gotowe / sklep einen Raum für temporäre Interventionen und Ausstellungen. In der Schule von Lublin überführte Grossarth ihre Recherchen zur jüdischen Geschichte in eine konkrete Lehrtätigkeit. Sie untersuchte mit Studierenden die vielfältigen historischen Schichten Lublins, das als Zentrum des Chassidismus in Polen, aber auch als Ausgangspunkt eines beispiellosen Vernichtungsfeldzugs des NS-Regimes eine wechselvolle Geschichte hat. Stoffe aus Lublin (2007/10) bezieht sich auf Grossarths intensive Auseinandersetzung mit dem Archiv des Fotografen Stefan Kielsznia. Werbetafeln von Schneidereigeschäften in Lublin und Stoffe aus dem Textilmuseum in Lódz werden mit Figuren und Fragmenten aus bildnerischen Quellen unterschiedlicher Epochen des Abendlands kombiniert (von Diderot und d’Alembert, aus Kupferstichen des Alchemisten Michael Maier, aus der Iconologia des Cesare Ripa). Zur Schule von Lublin erscheint eine Publikation im Rahmen der Ausstellung.
Kuratiert von Anja Casser


Weitere Infos zu den beiden Ausstellungen und dem Begleitprogramm findet ihr hier.


