"Bei Multipler Sklerose (MS) handelt es sich um Entzündungen der Nervenbahnen im zentralen Nervensystem im Gehirn und im Rückenmark, die immer wieder auftreten können", erklärt Dr. Anca Rightmire, die als Oberärztin der Neurologie am SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach tätig ist. Hauptsächlich von den Entzündungen betroffen seien dabei die Myelinscheiden, die die Nervenbahnen umwickeln, um die Reizweiterleitung zu beschleunigen.

SRH Nerven
Bei Multipler Sklerose entzünden sich die Myelinscheiden, die den Nerv umwickeln. | Bild: pixabay

Längerfristig kann die Erkrankung auch den eigentlichen Nervenzellen schaden, da diese nicht dauerhaft ohne intakte Myelinscheiden funktionieren können. "Die Symptome sind breit gestreut und von der Stelle der Entzündung im Nervensystem abhängig", erzählt Dr. Rightmire weiter. "Eine häufige Erstmanifestation ist die Entzündung des Sehnervs, die sich sehr schnell entwickeln kann und sich durch Sehschwäche auf einem Auge zeigt. Das kann erst einmal nur eine Abschwächung der Farben sein, aber auch Unschärfe."

Entzündungen am Rückenmark können zu Gefühlsstörungen unterhalb der Entzündung führen: Liegt diese auf Höhe der Halswirbelsäule, sind Arme und Beine betroffen, auf Höhe der Brustwirbel nur die Beine. Als weitere Symptome können motorische Störungen, Schwäche und Lähmungserscheinungen auftreten. Bei Entzündungen im Gehirn sind Gleichgewichtsstörungen oder das Sehen von Doppelbildern möglich. Betroffen ist nur das zentrale Nervensystem, also Gehirn und Rückenmark, nicht aber das periphere Nervensystem, zu dem beispielsweise Arm- oder Beinnerven gehören.

Die Ursachen sind noch nicht abschließend geklärt

"Die Symptome können also sehr unterschiedlich sein, müssen aber durch eine Entzündung an einer bestimmten Stelle erklärbar sein, um eine MS diagnostizieren zu können", so Dr. Rightmire. Erkannt werde die Erkrankung meist bei jungen Patienten und Patientinnen, in der Regel zwischen 20 und 30 Jahren.

Für die Diagnose sind Kernspintaufnahmen von Kopf und Rückenmark sowie eine Untersuchung des Nervenwassers nötig. Dafür werden Patienten und Patientinnen in Kliniken wie das SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach überwiesen. Hier können für die eindeutige Diagnose auch Nervenmessungen in speziellen Laboren durchgeführt werden.

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Im Kernspintomografen werden Bilder von Gehirn und Rückenmark gemacht, um die Entzündungen der MS zu lokalisieren. | Bild: pixabay

Doch wie kommt es überhaupt zu diesen Entzündungen? Das ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. Sicher sei, so Dr. Rightmire, dass das Immunsystem eine Rolle spiele, viele Ketten in der Immunantwort sprächen nicht richtig an und besonders die immunologische Verteidigung sei aktiver als bei Gesunden. "Es gibt auch ein familiäres Risiko, ohne dass es sich bei MS um eine genetische Erkrankung im engeren Sinne handelt. Aber wir sehen Häufungen in Familien", so Rightmire.

Neue Studienergebnisse zeigen erhöhtes MS-Risiko nach Virusinfektion

Dafür, dass das Immunsystem eine Rolle spielt, sprechen auch neueste Erkenntnisse einer im Januar 2022 im "Science"-Magazin publizierten Studie, die einen Zusammenhang zwischen Multipler Sklerose und einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, der das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen kann, aufzeigt. So sei das Risiko eine MS zu entwickeln nach einer Infektion mit dem Virus  32-mal höher. "Man kann nicht von einer direkten Verbindung sprechen, die Mechanismen sind noch nicht bekannt, aber das deutlich erhöhte Risiko ist sehr interessant", so Dr. Rightmire.

In der Ursachenforschung sind also noch einige Fragen offen, doch wie steht es um die Behandlungsmöglichkeiten? Dr. Rightmire: "Es gibt sehr viele Therapiemöglichkeiten. Das Ziel der Behandlung ist es, dass keine Entzündungen mehr auftreten und das kann auch bei sehr vielen Menschen erreicht werden. Viele Patienten können mit MS beschwerdefrei leben und alles machen, was sie sich wünschen!"

Die Behandlung basiert auf Medikamenten, die die Immunantwort modulieren, und eine hohe Wirksamkeit bei wenigen Nebenwirkungen aufweisen. Sie können als Tabletten genommen oder bis zu mehrmals wöchentlich gespritzt werden. Das Spritzen können Patienten und Patientinnen selbst durchführen. "Das ist auch deutlich einfacher als das Insulinspritzen bei Diabetikern", so Dr. Rightmire.

Akute Schubtherapie im SRH-Klinikum Karlsbad-Langensteinbach

Die meisten MS-Patienten bleiben in dieser Phase der Behandlung und können so die MS gut in den Griff bekommen. Treten Schübe auf, also plötzliche Verschlechterungen, werden diese stationär mit hochdosierten Kortisoninfusionen behandelt. Bei fortgeschrittener Multipler Sklerose werden diese Infusionen alle 3 Monate bis einmal monatlich eingesetzt.

Das SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach bietet außerdem eine zweite Möglichkeit der akuten Schubtherapie an: Sprechen Patienten bei schweren Schüben am Sehnerv oder mit schweren Lähmungen nicht auf das Kortison an, gibt es auch die Möglichkeit einer dialyseähnlichen Blutwäsche. Um Dauerschäden zu vermeiden, wird das Blut über einen Katheter am Hals von entzündlichen Antikörpern gereinigt.

Bettenhäuser Haus Pfalz Haus Baden SRH
Der Blick auf die Bettenhäuser Haus Baden und Haus Pfalz des SRH Klinikums Karlsbad-Langensteinbach. Im Haus Pfalz ist unter anderem auch die Akutneurologie untergebracht. | Bild: SRH

Die meisten Patienten kommen allerdings gut mit der Einnahme von Tabletten oder dem Spritzen des Medikaments zurecht. Dr. Rightmire betont, dass mit der MS ein normales Leben möglich sei.

Auch wenn es aktuell um die Impfung gegen das Covid-19-Virus geht, brauchen sich MS-Patienten keine Sorgen zu machen: "Wir haben ausreichend Daten aus Studien, die zeigen, dass es bei den mRNA-Vakzinen keinen Unterschied in den Nebenwirkungen zwischen Menschen mit und ohne MS gibt. Die Medikamente Fingolimod und Ocrevus, die bei fortgeschrittener MS eingesetzt werden, können die Wirkung vermindern, aber trotzdem empfiehlt sich die Impfung: Denn auch eine geringe Immunantwort ist besser als keine!"

Mehr zum Thema SRH-Klinikum-Karlsbad-Langensteinbach: Das SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach ist ein Akut- und Fachkrankenhaus südöstlich von Karlsruhe am Fuße des Nord-Schwarzwaldes gelegen.